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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2009 — 2010

DOI Kapitel:
I. Das Geschäftsjahr 2009
DOI Kapitel:
Zentenarfeier am 3. und 4. Juli 2009
DOI Kapitel:
Festakt am 4. Juli 2009
DOI Artikel:
Markl, Hubert: Akademische Wissenschaft und wirtschaftlicher Erfolg: Forschung im Zangengriff vielfältiger Interessen
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https://doi.org/10.11588/diglit.66333#0055
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FESTAKT

dann aber, des lieben Friedens willen — der Parteien, versteht sich, — den Unsinn
doch am Ende gutgeheißen; immerhin: die Einsicht scheint schon da — es fehlt nur
noch an konsequentem Handeln!
Sie sehen, dass ich das Heil der deutschen Universität nicht in ihrer Kommer-
zialisierung sehe. Man beruft in Hochschulgremien ja auch nicht nur Betriebswirte
— aus gutem Grund!
Freilich akzeptiere ich vollauf, dass hervorragende Nachwuchspflege - insbe-
sondere in Technik- und Naturwissenschaften, Medizin, Ökonomie oder Recht —
ebenso ein genuines Engagement der Wirtschaft verdient, wie das effiziente Betrei-
ben einer Hochschule oder ihre Leistungssteigerung im Wettbewerb um globale
Exzellenz: ich billige sehr wohl, dass bequem gewordene Staatshochschulen hier viel
von der Expertise der Wirtschaft gewinnen können — nur nicht durch ihre Ver-
wechslung mit Unternehmen! In ihrer Ökonomisierung liegt nämlich eine Gefahr
gerade durch die Vermengung mit den Interessen der Wirtschaft, nicht so sehr, weil
sie dazu Rat von den falschen Leuten bekäme, sondern weil sie die Kraft der Moti-
vation verlören, die aus der eigenen Verantwortung für ihre besonderen Aufgaben,
ihre Academic Duties, als Identität der Lehrenden und Lernenden, erwachsen muss.
Die Gesellschaft benötigt eben nicht nur die Zuarbeiter für eine florierende Wirt-
schaft — dies schon auch — sondern ein unabhängig selbst entscheidendes Wissen-
schaftssystem, dem sie Vertrauen schenken kann und das die Wissenschaft lebendig
und erneuerungsfähig erhält.
Die Wissenschaft soll, mit anderen Worten, das Gehirn einer Gesellschaft blei-
ben, nicht Teil ihres Bauches werden! Deshalb komme ich zum Abschluss auf die
Akademien der Wissenschaften zurück. Ihnen könnte nämlich — gerade in ihrer
manchmal etwas unterstützungsbedürftigen Unabhängigkeit im Dienste an der Wis-
senschaft und nichts sonst — künftig eine neue gewichtige Rolle zuwachsen — und
dazu sind sie auch mit 100 Jahren noch gar nicht zu alt, sondern vielleicht gerade
erfahren genug. Jede moderne Gemeinschaft benötigt nämlich nicht nur die Trieb-
kräfte der Innovation — für die Universitäten, Forschungseinrichtungen und Wirt-
schaftsunternehmen stehen mögen. Sie benötigt auch die Kraft unabhängiger, wis-
senschaftlicher Reßektion in allen Disziplinen, so wie sie auch die Schöpfungskraft
von Kunst und Musik benötigt. Dies gilt vor allem für die Geisteswissenschaften, die
der Pflege in den Akademien mit besonderer Sorgfalt bedürfen, weil sie ein wenig
auch den Schutz vor den mitunter rauen Winden des Alltagslebens benötigen; vor
allem aber, weil sie in ihrer Differenziertheit — die eben die Vielfalt menschlicher
Kultur widerspiegeln muß! — im harten Ressourcenwettbewerb an unsren immer
mehr verzweckten Universitäten und Forschungseinrichtungen leicht unter die
Räder geraten könnten — oder sich durch ihre eigene Ökonomisierung am Ende
selbst entleiben müßten. Deshalb sollten Akademien nicht auch noch allen anderen
Institutionen deren Gier nach Reichtum und Einfluss am Tisch der Mächtigen nach-
eifern, — an dem sie ja doch zumeist nur die Krumen der Torte zu erwarten haben,
- sondern den kühlen Kopf bewahren, den eine Gesellschaft von einem gut durch-
bluteten Gehirn auch erwarten kann. Und der Staat — als jener rechtlich wohl orga-
nisierte Vertreter dieser Gesellschaft - sollte stolz darauf sein, diese Akademien gesund
 
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