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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2009 — 2010

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I. Das Geschäftsjahr 2009
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Antrittsreden
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Kappes, Manfred M.: Antrittsrede vom 12. Dezember 2009
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https://doi.org/10.11588/diglit.66333#0156
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ANTRITTSREDEN

zifisch“ zu sein, d.h. Experimente streng als Funktion der Atomzahl im Cluster
durchzufuhren. Dieser Anspruch hat sich in der Zwischenzeit noch weiter verfeinert
— zusätzlich gilt es heutzutage ladungszustandsabhängige und sogar manchmal kon-
formerspezifische experimentelle Information zu gewinnen.
Die Beschäftigung mit lonenquellen und Massenselektion führte zunehmend
zu einer Apparatebaukompetenz der Arbeitsgruppe. Diese wurde noch weiter inten-
siviert durch eine zusätzliche Anbindung am Forschungszentrum Karlsruhe ab Ende
1990er. Auf diese Weise begünstigt entstanden ganz neue Experimente zur Bestim-
mung von lonenmobilitäten, zur Photoelektronenspektroskopie, zur Fluoreszenz-
spektroskopie und zur Elektronenbeugung, jeweils an einer geringen Zahl von mas-
senselektierten Ionen.
Die Elektronenbeugungs-Apparatur und die damit möglichen Untersuchun-
gen seien hier beispielhaft etwas näher beschrieben. Zusammen mit Strukturmodel-
len aus der Theorie, lassen sich mit solchen Beugungsdaten, die an einem Ensemble
von ca. 105 massenselektierten im Ultrahochvakuum gespeicherten Ionen gewonnen
werden können, Strukturbestimmungen bei einstellbaren Temperaturen durch-
führen. Wir haben damit z. B. gelernt, dass kleine Goldcluster sogar hohle Käfig-
strukturen aufweisen können. Auch bei anderen Elementen erweist sich oft, dass die
geometrischen Strukturen der Cluster meist nur wenig mit Ausschnitten aus dem
Festkörper zu tun haben.
Ganz wichtig bei diesen Anstrengungen sind die quantenchemischen Rech-
nungen. Ohne Strukturvorschläge keine Strukturbestimmung. Experimentelle
Daten sind notwendig, um die Näherungen der Theorie zu eichen und umgekehrt
brauchen wir die Rechnungen, um die Experimente zu verstehen... also durchaus
eine Synergie zur fortwährend starken Karlsruher Theoretischen Chemie, mit der
wir seit 18 Jahren intensiv Zusammenarbeiten.
Wozu macht man solche esoterischen Dinge? Ist es überhaupt nötig, die Struk-
tur und die größenspezifischen Eigenschaften aller möglicher isolierter Cluster eines
jedweden Elements zu kennen, so wie alle Briefmarken des Fürstentums Liechten-
stein? Sicherlich nicht. Aber die wesentlichsten Aspekte der Größenabhängigkeiten
zu verstehen bedeutet einen signifikanten Fortschritt im Beschreiben der jeweiligen
chemischen Bindungstypen.
Der Anspruch der Teilchengrößenspezifizität und die Hoffnung auf ein ent-
sprechendes generelles Verständnis der Eigenschaften mündet zum Glück aber auch
nahtlos in ein Forschungsgebiet, das heutzutage in aller Munde ist, nämlich die
Nanotechnologie, oder besser gesagt, die Nanowissenschaften. Da ist es plötzlich aus
Anwendungsinteresse notwendig zu wissen, inwieweit die elektronische und geo-
metrische Struktur eines bestimmten Clusters in Gasphase sich von der gleich
großen metallischen Nanostruktur auf einer Oberfläche unterscheidet. Mit solchem
Wissen ausgestattet kann man dann z.B. die stark größenabhängige katalytische Akti-
vität von geträgerten Übergangsmetallclustern besser deuten, oder man kann sogar
massenselektierte d.h. monodisperse Cluster und damit verwandte Systeme als Bau-
teile für kleine, einzeln ansteuerbare Schalter oder Sensoren einzusetzen versuchen.
 
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