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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2009 — 2010

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III. Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses
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C. Akademiekonferenzen für junge Wissenschaftler
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Linksalternatives Milieu und dessen (Selbst)inszenierung. Neue Perspektiven auf die "neuen sozialen Bewegungen" der 1970er Jahre in der Bundesrepublik und Westeuropa
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https://doi.org/10.11588/diglit.66333#0314
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330 | FÖRDERUNG DES WISSENSCHAFTLICHEN NACHWUCHSES

native Linke auf eine schwere Zerreißprobe gestellt habe. Die Unfähigkeit, sich 1977
in der Frage einer Gemeinschaftsausgabe wichtiger RAF-Texte zu einigen, sei hier-
für symptomatisch. Einem anderen Medium, dem Film, widmete sich Julia Zutavern
(Zürich) in ihrem Vortrag über Peter Zadeks Film „Ich bin ein Elefant, Madame“
aus dem Jahre 1968, welcher auf den Roman „Die Unberatenen“ von Thomas
Valentin (1963) zurückgeht. Obgleich viele linke Kritiker in Zadeks Film Hohn
erkannt hätten, vertrat Zutavern in ihrem Vortrag die These, dass in dem Film ein
Mitglied der Bewegung die Anliegen der Bewegung propagiert habe. Der Film grei-
fe das „faschistische Bildungssystem“ der Bundesrepublik an, ohne vor jenen Halt zu
machen, die sich den Kampf gegen dieses auf ihre Fahnen geschrieben hatten. Der
Film werde somit zum Prüfstein der Bewegung, der ihr Handeln an den eigenen
Forderungen messe. Danach sprach Dr. Andreas Elter (Köln) in seinem Vortrag über
das Verhältnis von RAF und Medien. Elter zeigte, wie die RAF und die Medien von-
einander profitierten. Die Medien hätten die RAF zwar nicht gebraucht, jedoch die
auflagensteigernde Wirkung der RAF-Berichterstattung erkannt. Die RAF hingegen
habe die Medien gebraucht. Einerseits habe sie aus den Medien wichtige Informa-
tionen bezogen, andererseits hätten die Medien als Kommunikationsmittel zwischen
Terroristen und Staat fungiert. Die Medien seien, so Elter, ins terroristische Kalkül
einbezogen worden. Im letzten Vortrag der Konferenz beleuchtete Regina Wick
(Heidelberg) die Berichterstattung bundesrepublikanischer und englischer Zeitun-
gen über die Friedensbewegung in den 1980er-Jahren am Beispiel der Demonstra-
tionen der Jahre 1981 und 1983 und versuchte auf diese Weise Erkenntnisse über den
Einfluss der Printmedien auf den Erfolg der Friedensbewegung zu gewinnen. Wick
gelangte zu dem Ergebnis, dass sich in der Bundesrepublik die stärkere nationale
Kontextualisierung der Berichterstattung und die größere Artikeldichte im Unter-
schied zu England mobilisierungsfordernd für die Friedensbewegung ausgewirkt
hätten. Ihre Zeitungs- als auch die Medienauswahl wurden anschließend diskutiert,
wobei auf die große Bedeutung der Bewegungsöffentlichkeit hingewiesen wurde,
welche in Büchern und eigenen Zeitschriften zu finden sei.
Zur Abschlussdiskussion fanden sich Dr. Cord Arendes (Heidelberg), Dr. Gerd
Koenen (Freiburg) und Dr. Jacco Pekelder (Utrecht) unter der Leitung von Profes-
sor Dr. Katja Patzel-Mattern (Heidelberg) zusammen. Pekelder nutzte die Mög-
lichkeit, um nach dem großen Kontext zu fragen, in dem die zahlreichen detail-
lierten Einzelvorträge zu verorten seien, und eine Reflexion über die Verbindun-
gen zwischen dem, was innerhalb des linksalternativen Milieus geschah, und dem,
was im Rest der Gesellschaft vorging, einzufordern. Cord Arendes sah in der Kon-
ferenz einen Beleg dafür, dass die Analysekategorie der Neuen Sozialen Bewegung
durch die Historisierung zunehmend stillgestellt werde und regte einen europäi-
schen Vergleich an. Gerd Koenen plädierte dafür, erst für die späten 1970er-Jahre
den Begriff „linksalternativ“ zu verwenden. Für die Jahre davor sei „linksradikal“
der zutreffendere Begriff. Der Herbst 1977 markiere eine Zäsur; im Unterschied
zu den Linksradikalen, die geglaubt hätten, Politik zu machen, hätten die Links-
alternativen konkrete Ziele verfolgt und somit Politik gemacht. Diese Position stieß
im Publikum nicht auf ungeteilte Zustimmung. Die Frauenbewegung wurde als
 
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