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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2009 — 2010

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IV. Veranstaltungen im Jubiläumsjahr
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Wolgast, Eike: Die Heidelberger Akademie der Wissenschaften - Gründung und Auftrag
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https://doi.org/10.11588/diglit.66333#0329
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6. April 2009

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philologisch bzw. die theoretisch arbeitenden Disziplinen Akademiefähigkeit bean-
spruchen.
Der geistigen Neuorganisation der Berliner Akademie waren die Gründungen
in Leipzig (1846) und Wien (1847) verpflichtet.
Der Entwicklung zum „Großbetrieb der Wissenschaft“ (Adolf von Harnack)
in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entsprach die Berliner Akademie, als sie
1900 acht sog. Akademieprofessuren einrichtete, um langfristige Unternehmungen
durch pensionsberechtigte Mitarbeiter kontinuierlich und effizient betreiben zu
können. Die Anstrengungen richteten sich vor allem auf geisteswissenschaftliche
Vorhaben, während für naturwissenschaftliche, medizinische und technische Grund-
lagenforschung 1911 die „Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissen-
schaften“ (nach 1945: Max-Planck-Gesellschaft) in gemischt staatlich-privater
Finanzierung gegründet wurde. Um die Idee der Einheit der Wissenschaft zu bewah-
ren, hatte Harnack zunächst geplant, die Institute der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft
mit der Berliner Akademie zu verbinden; so sollten die Institutsdirektoren Akade-
miemitglieder werden (Akademieprofessoren). Mit der Verselbständigung der KWI-
Institute, die zudem nicht selten einem nutzungsorientierten Zweck verpflichtet
waren, wurde der Leibniz-Humboldtsche Akademiegedanke, der — bei aller Ver-
schiedenheit im einzelnen — auf der gemeinsamen Basis: Einheit der Wissenschaft,
beruhte, im Kern in Frage gestellt.
2. Die Gründung der Heidelberger Akademie
In diese Situation fällt die Gründung der Heidelberger Akademie der Wissenschaf-
ten. Allerdings wurde die — mindestens indirekte — Krise des traditionellen Akade-
miekonzepts von den Heidelberger Gründungsvätern offensichtlich gar nicht gese-
hen. Auf Anläufe zu einer Heidelberger Akademiegründung im 19. Jahrhundert
braucht an dieser Stelle nicht eingegangen zu werden; erwähnt werden muss nur die
Initiative des badischen Großherzogs im Umfeld des Heidelberger Universitätsju-
biläums 1886. Friedrich I. dachte an eine Badische Akademie und bezog daher Frei-
burg sowie — ganz modern, aber auch abweichend vom bisherigen Akademietypus —
die Technische Hochschule Karlsruhe in seine Überlegungen em. Es sollte eine wan-
dernde Akademie sein, die ihren Sitz abwechselnd an den drei Hochschulstandorten
haben sollte. Der Plan scheiterte nicht zuletzt an der Skepsis der befragten Heidel-
berger Universitätsprofessoren (Kuno Fischer), aber auch an der Zurückhaltung der
Staatsbehörden, die den finanziellen Aufwand fürchteten.
Die Gründungsgeschichte 1909 vollzog sich innerhalb von nur zwei Monaten.
Am Ursprung der Heidelberger Akademie stand nicht ein Fürst oder der Staat,
sondern die Industriellenfamilie Lanz, die in Mannheim die größte Landmaschinen-
fabrik Deutschlands und damit zugleich das größte Industrieunternehmen Badens
betrieb. Heinrich Lanz, der 1905 gestorben war, hatte testamentarisch eine große
Summe für wohltätige und wissenschaftliche Zwecke bereitgestellt. Der Heidelber-
ger Nationalökonom und Kulturhistoriker Eberhard Gothein wollte 1909 von Karl
Lanz als dem Erben 100.000 Mk. erbitten, um damit der notleidenden Universitäts-
 
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