344 | VERANSTALTUNGEN
Der Mannheimer Akademie wurde der Lebensfaden abgeschnitten, als Karl
Theodor nach dem Erbanfall Bayerns den Hof 1778 nach München verlegte. Wäre
der Erbfall nicht eingetreten, durch den die Kurpfalz plötzlich zum Nebenland her-
absank und zwei Jahrzehnte später überhaupt von der politischen Landkarte ver-
schwand, könnten wir in diesem Jahr das 246. Gründungsjahr feiern, statt uns mit
geborgter Kontinuität trösten zu müssen. Kurfürst Karl Theodor bevorzugte zwar
zunächst noch seine Gründung gegenüber der Münchener Konkurrenz. Er erwog
sogar vorübergehend die vollständige oder wenigstens teilweise Verschmelzung bei-
der Institutionen, bestätigte dann aber doch die Münchener Akademie, nachdem ein
in Mannheim eingeholtes Gutachten über die Münchener Stiftungsbriefe und Sta-
tuten großmütigerweise günstig ausgefallen war. Damit war München gerettet -
allerdings, wie sich bald zeigte, auf Kosten Mannheims. Karl Theodor verlor offen-
sichtlich allmählich das Interesse an Mannheim, so dass der Heidelberger Rektor
Franz Anton Mai 1797 von der „ohnehin an Krücken gehenden Akademie“ sprach,
als er dem Kurfürsten vorschlug, die Mannheimer Institution nach Heidelberg zu
verlegen oder wenigstens den Botanischen Garten und das Physikalische Kabinett an
die Universität zu transferieren. Auch um das Vermögen der Mannheimer Akademie
bemühte sich die Universität. Als das Ende der Kurpfalz bereits besiegelt war, bat die
Universität 1802 um die Überlassung von Hofbibliothek, Antikensaal, Münz- und
Naturaliensammlung sowie der Instrumente von Sternwarte und Physikalischem
Kabinett. Die Sammlungen wurden jedoch nach München überführt, ebenso das
Vermögen, das bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften seither als „Mann-
heimer akademischer Reservefonds“ gesondert verwaltet wurde. Es betrug 1914
noch 263.000 Goldmark, fiel dann aber der Inflation zum Opfer. Ein Gesuch des
Mannheimer Stadtrats an den neuen badischen Landesherrn 1804, die Akademie der
Wissenschaften wiederzubeleben, blieb erfolglos — Karlsruhe hatte mit den finanzi-
ellen Belastungen durch die übernommene Universität genug zu tun.
Der Akademiegedanke wandelte sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts im
Zeichen des Neuhumanismus entscheidend. Wilhelm von Humboldt nahm bei der
Reform des preußischen Bildungswesens das Göttinger Muster auf und grenzte die
Aufgaben von Akademie und Universität strikt voneinander ab: „Die Universität ...
steht immer in engerer Beziehung auf das praktische Leben und die Bedürfnisse des
Staates, da sie sich immer praktischen Geschäften für ihn, der Leitung der Jugend,
unterzieht; die Akademie aber hat es rein nur mit der Wissenschaft an sich zu tun.“
Sie ist nicht am Nutzen orientiert und dem Staat mit seinen Anforderungen nicht
unterworfen. Daher galt für Humboldt: „Auf diese Weise muß die Idee einer Aka-
demie als die höchste und letzte Freistätte [ursprünglich hieß es sogar: Zufluchtsort]
der Wissenschaft und die vom Staat am meisten unabhängige Korporation festgehal-
ten werden.“
Die zweckfreie Forschung war für Humboldt eine unendliche Aufgabe: „Die
Wissenschaft als etwas noch nicht ganz Gefundenes und nie ganz Aufzufindendes
zu betrachten.“ Die Betonung der Zweckfreiheit schloss alle anwendungsorientier-
ten Disziplinen von der Akademie aus — von den Fächern der Theologischen,
Juristischen und Medizinischen Fakultät konnten deswegen nur die historisch-
Der Mannheimer Akademie wurde der Lebensfaden abgeschnitten, als Karl
Theodor nach dem Erbanfall Bayerns den Hof 1778 nach München verlegte. Wäre
der Erbfall nicht eingetreten, durch den die Kurpfalz plötzlich zum Nebenland her-
absank und zwei Jahrzehnte später überhaupt von der politischen Landkarte ver-
schwand, könnten wir in diesem Jahr das 246. Gründungsjahr feiern, statt uns mit
geborgter Kontinuität trösten zu müssen. Kurfürst Karl Theodor bevorzugte zwar
zunächst noch seine Gründung gegenüber der Münchener Konkurrenz. Er erwog
sogar vorübergehend die vollständige oder wenigstens teilweise Verschmelzung bei-
der Institutionen, bestätigte dann aber doch die Münchener Akademie, nachdem ein
in Mannheim eingeholtes Gutachten über die Münchener Stiftungsbriefe und Sta-
tuten großmütigerweise günstig ausgefallen war. Damit war München gerettet -
allerdings, wie sich bald zeigte, auf Kosten Mannheims. Karl Theodor verlor offen-
sichtlich allmählich das Interesse an Mannheim, so dass der Heidelberger Rektor
Franz Anton Mai 1797 von der „ohnehin an Krücken gehenden Akademie“ sprach,
als er dem Kurfürsten vorschlug, die Mannheimer Institution nach Heidelberg zu
verlegen oder wenigstens den Botanischen Garten und das Physikalische Kabinett an
die Universität zu transferieren. Auch um das Vermögen der Mannheimer Akademie
bemühte sich die Universität. Als das Ende der Kurpfalz bereits besiegelt war, bat die
Universität 1802 um die Überlassung von Hofbibliothek, Antikensaal, Münz- und
Naturaliensammlung sowie der Instrumente von Sternwarte und Physikalischem
Kabinett. Die Sammlungen wurden jedoch nach München überführt, ebenso das
Vermögen, das bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften seither als „Mann-
heimer akademischer Reservefonds“ gesondert verwaltet wurde. Es betrug 1914
noch 263.000 Goldmark, fiel dann aber der Inflation zum Opfer. Ein Gesuch des
Mannheimer Stadtrats an den neuen badischen Landesherrn 1804, die Akademie der
Wissenschaften wiederzubeleben, blieb erfolglos — Karlsruhe hatte mit den finanzi-
ellen Belastungen durch die übernommene Universität genug zu tun.
Der Akademiegedanke wandelte sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts im
Zeichen des Neuhumanismus entscheidend. Wilhelm von Humboldt nahm bei der
Reform des preußischen Bildungswesens das Göttinger Muster auf und grenzte die
Aufgaben von Akademie und Universität strikt voneinander ab: „Die Universität ...
steht immer in engerer Beziehung auf das praktische Leben und die Bedürfnisse des
Staates, da sie sich immer praktischen Geschäften für ihn, der Leitung der Jugend,
unterzieht; die Akademie aber hat es rein nur mit der Wissenschaft an sich zu tun.“
Sie ist nicht am Nutzen orientiert und dem Staat mit seinen Anforderungen nicht
unterworfen. Daher galt für Humboldt: „Auf diese Weise muß die Idee einer Aka-
demie als die höchste und letzte Freistätte [ursprünglich hieß es sogar: Zufluchtsort]
der Wissenschaft und die vom Staat am meisten unabhängige Korporation festgehal-
ten werden.“
Die zweckfreie Forschung war für Humboldt eine unendliche Aufgabe: „Die
Wissenschaft als etwas noch nicht ganz Gefundenes und nie ganz Aufzufindendes
zu betrachten.“ Die Betonung der Zweckfreiheit schloss alle anwendungsorientier-
ten Disziplinen von der Akademie aus — von den Fächern der Theologischen,
Juristischen und Medizinischen Fakultät konnten deswegen nur die historisch-