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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2010 — 2011

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I. Das Geschäftsjahr 2010
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Wissenschaftliche Sitzungen
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Sitzung der Phil.-hist. Klasse am 22. Januar 2010
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Engler, Bernd: Amerikanische Identitätspolitik im 17. und 18. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.55658#0054
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SITZUNGEN

wundersamen Taten, die Christus in Amerika für sein neues Auserwähltes Volk voll-
brachte. Mede wie auch andere Gelehrte aufgreifend, kommt Cotton Mather bereits
am Ende seiner „General Introduction“ zu dem Schluss, dass alle pseudo-schrift-
gelehrten Bestimmungen Amerikas als Ort der Heilsferne nicht nur an den Worten
der Bibel, sondern - was noch schwerer wiege — auch an den historischen Tatsachen
vorbeigingen. Das von Gegnern immer wieder bemühte Gleichnis vom unnützen
Knecht, der in die Finsternis verstoßen werden sollte (Matthäus 25,30), kontert
Mather:
Upon that Expression in the Sacred Scripture, Cast the unprofitable Servant into Outer Darkness,
it hath been imagined by some,That the Regiones Extern ofAmerica, are the Tenebrce Exterio-
res [realms of Outer Darkness], which the Unprofitable are there condemned unto. No doubt,
the Authors of those Ecclesiastical Impositions and Severities, which drove the English Chris-
tians into the Dark Regions of America, esteemed those Christians [i.e. the Puritans] to be a very
unprofitable sort of Creatures. But behold, ye European Churches,There are Golden Candlesticks
[more than twice Seven times Seven!] in the midst of this Outer Darkness; Unto the upright
Children of Abraham, here hath arisen Light in Darkness. And let us humbly speak it, it shall
be Profitable for you to consider the Light, which from the midst of this Outer Darkness, is
now to be Darted over unto the other side of the Atlantick Ocean. (n.p.)
Cotton Mather spielt hier zunächst auf die Geheime Offenbarung (Off. 1,10—20)
und den göttlichen Auftrag an Johannes an, seine apokalyptischen Visionen den sie-
ben Kirchengemeinden [symbolisiert durch die sieben Leuchter bzw. „candlesticks“]
in Asien zuzuleiten. Er nutzt diesen Verweis indes nicht allein dazu, selbstbewusst fest-
zustellen, dass Christus in Amerika eine große Zahl von Kirchengemeinden ms
Leben gerufen habe, sondern eher für die Platzierung des — zumindest für Zeitge-
nossen — nicht allzu versteckten Anspruchs, dass die Kirchen in der Alten Welt allein
durch die Übernahme des reformatorischen Geists der Neuen Welt vor ihrem
Untergang bewahrt werden könnten. Der Exzeptionalismus, der selbst im 20. Jahr-
hundert und auch heute noch nahezu unangefochten die Grundlage des amerikani-
schen Selbstverständnisses, des Sendungsbewusstseins und des Anspruchs auf eine
Weltführerrolle darstellt, findet hier ihre erste programmatische Grundlage.18 19
In einer zweiten wichtigen Schrift aus dem Jahre 1710, die den Titel Theopolis
American^9 trägt, geht Cotton Mather ganz unumwunden von der Auffassung aus,
dass Amerika das Neue Jerusalem darstelle. Mathers Ausführungen greifen auf eine
Predigt zurück, die sich mit der Vision des himmlischen Jerusalem auseinandersetzt,
mit der das letzte Kapitel der Geheimen Offenbarung des Johannes abschließt.

18 Gemeinhin wird diese ‘Gründungsfunktion’ John Winthrops Predigt „A Model of Christian
Charity“ (1630) zugesprochen, in der der spätere Gouverneur Massachusetts davon sprach, dass
künftige (koloniale) Siedlungen sich Neuengland zum Vorbild nehmen mögen, das — mit aller
Augen auf sich gerichtet - wie eine "City upon a Hill“ sei. Die von Winthrop gewählte For-
mulierung „the eyes of all people upon us“ war wohl nicht mit dem universalistischen Anspruch
ausgestattet, den ihm spätere Interpreten und Historiker beimaßen.
19 Theopolis Americana:An Essay on the Golden Street of the Holy City. Publishing, a Testimony Against the
Corruptions of the Market-place. With Some Good Hopes of Better Things to BeYet Seen in the American
World, Boston, 1710.
 
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