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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2010 — 2011

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I. Das Geschäftsjahr 2010
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Mitarbeitervortragsreihe "Wir forschen. Für Sie"
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Diener, Carsten: Veränderung der Gedächtnisfunktion im alternden Gehirn
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https://doi.org/10.11588/diglit.55658#0145
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27. Mai 2010

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Unabhängig von deutlichen kognitiven Leistungseinbußen zeigen Untersu-
chungen zu strukturellen Veränderungen des Gehirns, dass das Volumen des Gehirns
im Alter abnimmt. Vom jungen Erwachsenenalter bis zum Senium (~ 90 Lebensjah-
re) werden Volumenreduktionen zwischen 12—14% in den Nervenzellkörpern
(graue Substanz) und zwischen 23—26% in den Nervenzellfasern (weiße Substanz)
beschrieben. Dabei sind möglicherweise insbesondere Gehirnregionen im Stirn-,
Scheitel- und Schläfenlappen in unterschiedlichen Verlaufsformen betroffen, da nicht
von einfachen linearen Abbauprozessen ausgegangen werden kann. Wenngleich
altersbedingte Volumenreduktionen des Gehirns auch mit dem Ausmaß von kogni-
tiven Einschränkungen in Zusammenhang gebracht werden konnten, zeichnet sich
ab, dass funktionelle Veränderungen, die auch die Zusammenarbeit zwischen ver-
schiedenen Regionen reflektieren, einen zusätzlichen und erheblichen Aufklärungs-
wert besitzen.
Mit Blick auf altersassoznerte funktionelle Veränderungen fanden ältere Unter-
suchungen mit bildgebenden Methoden etwa bei der Belastung des Kurzzeit- bzw.
Arbeitsgedächtnisses zumeist Minderaktivierungen in Regionen des linken Stirn-
hirns bei älteren im Vergleich zu jüngeren Untersuchungsteilnehmern. Neuere
Untersuchungen konnten dagegen zeigen, dass bei älteren Personen sogar Akti-
vitätszunahmen beobachtet werden können, insbesondere in Form von symmetri-
schen (bilateralen) Aktivierungsanstiegen in für die Aufgabenbearbeitung relevanten
Gehirnarealen. Dieses Ergebnismuster fand als sog. HAROLD-Hypothese (hemis-
pheric asymmetry reduction in older adults; Cabeza, 2002) Eingang in die For-
schungsliteratur. Dieser Befund einer zunehmend bilateralen Aktivierungsausprä-
gung scheint für Regionen des Stirnhirns bei Arbeitsgedächtnisanforderungen gut
gesichert. Allerdings liegen bislang nur vereinzelte Hinweise dafür vor, dass auch
andere Gedächtnis-relevante Gehirnregionen altersassoziierte bilaterale Aktivie-
rungszunahmen zeigen könnten. Dies gilt insbesondere für den Hippokampus, der
als besonders bedeutsame Gedächtnisstruktur angesehen wird. Mit Hilfe einer bild-
gebenden Untersuchung des episodischen Gedächtnisses konnte nun im Projekt
„Veränderungen der Gedächtnisfunktion im alternden Gehirn: funktionelle, bioche-
mische und genetische Aspekte“ (Diener et al., 2010) im Rahmen des Akademie-
kollegs für den wissenschaftlichen Nachwuchs der Heidelberger Akademie der Wis-
senschaften gezeigt werden, dass auch der Hippokampus mit ansteigendem Lebens-
alter ein zunehmend bilaterales Aktivierungsmuster zeigt. Im Gegensatz zu jüngeren
Untersuchungsteilnehmern (20-39 Lebensjahre), die eine unilaterale Aktivierung des
linken Hippokampus während des Abrufs episodischer Langzeitgedächtnisinhalte
zeigten, fand sich eine (symmetrische) bilaterale Aktivierung beider Hippokampi
bereits im Alterssegment zwischen 40 bis 59 Lebensjahre und auch bei älteren Teil-
nehmern über 60 (bis 80) Lebensjahre. Damit scheinen kompensatorische neuropla-
stische Prozesse, die als mögliche Wirkmechanismen altersassozierter bilateraler Akti-
vierungen diskutiert werden, nicht allem auf neokortikale Gehirnregionen
beschränkt zu sein.
Vor diesem Hintergrund ist Altern offensichtlich von kontinuierlichen neuro-
nalen Anpassungsprozessen bzw. positiven neuroplastischen Mechanismen begleitet,
 
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