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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2010 — 2011

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I. Das Geschäftsjahr 2010
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Antrittsreden
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Quack, Joachim Friedrich: Antrittsrede von Herrn Joachim Friedrich Quack an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften vom 17. April 2010
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https://doi.org/10.11588/diglit.55658#0196
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212 | ANTRITTSREDEN

verstehen und den Text sowohl in seinen ägyptischen kulturellen Zusammenhang
einzupassen als auch den Verbindungen zu Nachbarkulturen nachzugehen. Zudem
wandte ich em Modell der „offenen Überlieferung“ an, um die erheblichen Varian-
ten der einzelnen Handschriften nicht als Verderbnisse zu deklarieren, sondern als
Zeugnisse von jeweils eigenem Wert wahrzunehmen.
Sowohl Studium als auch Promotion wurden durch Stipendien der Studien-
stiftung des Deutschen Volkes sehr unterstützt, deren anregende Sommerakademien
ich auch gern besucht habe. Zudem habe ich mir den Luxus geleistet, neben der
Promotion em Zweitstudium in Altorientalistik und Vor- und Frühgeschichte zu
betreiben, das mit spektakulär frühen Zwischenprüfungen begann, aber letztlich kurz
vor einem erneuten Magister nicht mehr mit meinem ägyptologischen Weg verein-
bar war; und so stehe ich in der Statistik der Universität Tübingen wohl bis heute als
Studienabbrecher negativ zu Buche.
Nach der Promotion bekam ich dann durch den Würzburger Ägyptologen
Professor Karl-Theodor Zauzich eine besondere Chance. Er hatte em Projekt auf-
gebaut, das sich zum Ziel gesetzt hatte, die sehr umfangreichen Bestände römerzeit-
licher ägyptischer Fragmente aus einer Tempelbibliothek aufzuarbeiten, die aus dem
Ort Tebtyms am Südrand des Fayum stammen. Sie liegen seit langem in Kopen-
hagen, wurden aber damals kaum beachtet. Finanziert durch ein Ausbildungsstipen-
dium der DFG konnte ich von März 1995 bis Februar 1996 ein Jahr in Kopenhagen
vor Ort verbringen, und diese Erfahrung des Umgangs mit den Originalen und die
Faszination ihrer Inhalte, die oft erstaunlich Neues über die ägyptische Kultur ver-
rieten, hat mich tiefgreifend für meinen ganzen weiteren wissenschaftlichen Weg
beeinflußt. Allerdings gehört zu dieser Art von Forschung auch eine gewisse Lei-
densfähigkeit, denn das markanteste Merkmale dieser Texte überhaupt ist ihre
schlechte Erhaltung. Vielleicht kann man den Zustand des Ausgangsmateriais am
besten beschreiben, wenn man als Bild anbietet, jemand habe Teile von etwa 1000
verschiedenen Puzzles in einen großen Bottich geworfen, gut umgerührt, drei
Viertel des Materials weggeworfen und verlange von ihnen dann, das Aussehen eines
spezifischen Puzzlemotivs anhand des verbliebenen Materials zu beschreiben.
Als wichtigster Text überhaupt erwies sich dabei eine Komposition, auf deren
Spur ich schon etwas vorher gestoßen war, die sich aber erst im Lichte der Text-
bestände in Kopenhagen wirklich fassen ließ, nämlich einem Handbuch über den
idealen ägyptischen Tempel, seine Architektur und die Dienstpflichten aller Tempel-
beschäftigten. Hatte ich zuerst nur die vage Hoffnung gehabt, in Kopenhagen einige
wenige neue Fragmente zu finden, so kamen letztlich einige Hundert heraus. Aller-
dings blieb der Textbestand sehr lückenhaft, so daß weitere Suche unerläßlich war.
Im Anschluß an den Aufenthalt in Dänemark konnte ich durch ein Forschungs-
stipendium der DFG em Jahr lang in der Welt herumreisen und an vielen verschie-
denen Orten zusätzliche Fragmente aufnehmen.
Zum Sommersemester 1997 trat ich dann eine Stelle als wissenschaftlicher
Mitarbeiter am ägyptologischen Seminar der FU Berlin bei Professor Jürgen Osing
an. Auf dieser befristeten Stelle versuchte ich mich vier Jahre lang ohne rechten
Erfolg daran, die Arbeit am Buch vom Tempel zu einer Habilitationsschrift aufzube-
 
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