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SITZUNGEN
des Bischofs von Havelberg, andererseits selbst Lehensherren und übten landesherr-
liche Rechte aus. Mitglieder des Hauses waren Marschälle der askanischen Mark-
grafen gewesen und „dem gewöhnlicher Adel entschieden überhoben“ (Vgl.
Torsten Foelsch: Die Familie der Gans Edlen Herren zu Putlitz und Wolfshagen, in:
grosspankow.de, S. 1 mit Nachw.) Den Markgrafen von Brandenburg dienten Mit-
glieder der Familie seit Mitte des 14. Jahrhunderts als erbliche Obermarschälle, als
solche waren sie seit Gründung des Preussischen Herrenhauses 1854 dessen Mitglie-
der. Christlicher und preussischer Geist prägte die Mitglieder des Hauses, unter
ihnen nicht allein Gutsherren und Soldaten, vielmehr auch Künstler und Geistliche,
sogar Universitätsrektoren, etwa der Gründungsrektor in Frankfürt/Oder 1506 und
andere danach, ebenso in Wittenberg (vgl. Foelsch, aaO, S. 3).
Gisberts Vater Waldemar schickte im Chaos der deutschen Niederlage seine
Frau und Sohn Gisbert — andere Familienmitglieder waren schon am 26. April unter
Führung der älteren Schwester in Richtung Elbe auf die dort verharrenden ameri-
kanischen Truppen zu geflohen - buchstäblich in letzter Stunde in der Nacht vom
1. auf den 2. Mai von Groß Pankow, dem Familiensitz seit Jahrhunderten, nach Nor-
den auf die Flucht. Er selbst wurde unmittelbar danach auf seinem Gut getötet.
Unser personifizierter lebendiger Geist hatte in dieser Stunde Null also auf Order
seines Vaters und mit Mühe das nackte Leben retten können.
Dem Dritten Reich erging es anders, es ging unter. Nicht so das Deutsche
Reich, dessen Hoheitsrechte nun aber durch die Alliierten ausgeübt wurden, die das
Land bald in vier Besatzungszonen aufgeteilt hatten. Das deutsche Wissenschaftssystem
lag am Boden, diesem lebendigen Geist ging es sehr schlecht. Nicht nur waren Gebäude
der Universitäten und Forschungseinrichtungen zerstört, viele junge Menschen tot,
die hätten Wissenschaft betreiben oder noch hätten studieren wollen. Deutsche Wis-
senschaftler waren in den braunen Jahren systematisch vom Ausland isoliert worden.
Etliche von ihnen waren teils unter eigenem überzeugtem oder opportunistischem
Zutun, teils vom Staat und seinen Vertretern geführt auf in vielen Fällen höchst
unwissenschaftliche Gleise geraten. Der Zwang, sich zum Dritten Reich und zum
technikaffinen, aber jeder Suche nach der Wahrheit jenseits seiner Ideologie feind-
lichen Führer zu bekennen hatte selbstbestimmte Freiheit der Wissenschaft an den
Rand gedrängt. „Deutsche Physik“ und deutsche Physiker halfen dabei, Einstein
aus Deutschland zu vertreiben. Völkisch Verblasenes, Rassenideologie, sogar Verbre-
cherisches wie Mordprogramme unter dem Tarnbegriff Euthanasie und Säube-
rungsaktionen wie im „raumordnenden“ Generalplan Ost hatten dem lebendigen
Geist den Atem genommen. Uber dem Eingang der neuen Universität in Heidel-
berg war „lebendig“ durch „deutsch“ ersetzt, Pallas Athene durch einen Adler. Der
Umgang mit den jüdischen Gelehrten und Kollegen sowie Andersdenkenden lag als
dunkler Schatten auf Institutionen und Beteiligten, auch als nun seit der Stunde Null
keine Bomben mehr fielen und die Menschen anfingen, nicht allein über das nack-
te Überleben, sondern über die Zukunft nachzudenken.
Als Junge hatte Gisbert zu Putlitz seinem Vater, der Landwirt und diplomierter
Maschinenbauer war, viel in der Gutswerkstatt geholfen, bis hin zum Bau eigener
Maschinen. Nach dem Besuch der zweizügigen Volksschule in Groß Pankow - neben
SITZUNGEN
des Bischofs von Havelberg, andererseits selbst Lehensherren und übten landesherr-
liche Rechte aus. Mitglieder des Hauses waren Marschälle der askanischen Mark-
grafen gewesen und „dem gewöhnlicher Adel entschieden überhoben“ (Vgl.
Torsten Foelsch: Die Familie der Gans Edlen Herren zu Putlitz und Wolfshagen, in:
grosspankow.de, S. 1 mit Nachw.) Den Markgrafen von Brandenburg dienten Mit-
glieder der Familie seit Mitte des 14. Jahrhunderts als erbliche Obermarschälle, als
solche waren sie seit Gründung des Preussischen Herrenhauses 1854 dessen Mitglie-
der. Christlicher und preussischer Geist prägte die Mitglieder des Hauses, unter
ihnen nicht allein Gutsherren und Soldaten, vielmehr auch Künstler und Geistliche,
sogar Universitätsrektoren, etwa der Gründungsrektor in Frankfürt/Oder 1506 und
andere danach, ebenso in Wittenberg (vgl. Foelsch, aaO, S. 3).
Gisberts Vater Waldemar schickte im Chaos der deutschen Niederlage seine
Frau und Sohn Gisbert — andere Familienmitglieder waren schon am 26. April unter
Führung der älteren Schwester in Richtung Elbe auf die dort verharrenden ameri-
kanischen Truppen zu geflohen - buchstäblich in letzter Stunde in der Nacht vom
1. auf den 2. Mai von Groß Pankow, dem Familiensitz seit Jahrhunderten, nach Nor-
den auf die Flucht. Er selbst wurde unmittelbar danach auf seinem Gut getötet.
Unser personifizierter lebendiger Geist hatte in dieser Stunde Null also auf Order
seines Vaters und mit Mühe das nackte Leben retten können.
Dem Dritten Reich erging es anders, es ging unter. Nicht so das Deutsche
Reich, dessen Hoheitsrechte nun aber durch die Alliierten ausgeübt wurden, die das
Land bald in vier Besatzungszonen aufgeteilt hatten. Das deutsche Wissenschaftssystem
lag am Boden, diesem lebendigen Geist ging es sehr schlecht. Nicht nur waren Gebäude
der Universitäten und Forschungseinrichtungen zerstört, viele junge Menschen tot,
die hätten Wissenschaft betreiben oder noch hätten studieren wollen. Deutsche Wis-
senschaftler waren in den braunen Jahren systematisch vom Ausland isoliert worden.
Etliche von ihnen waren teils unter eigenem überzeugtem oder opportunistischem
Zutun, teils vom Staat und seinen Vertretern geführt auf in vielen Fällen höchst
unwissenschaftliche Gleise geraten. Der Zwang, sich zum Dritten Reich und zum
technikaffinen, aber jeder Suche nach der Wahrheit jenseits seiner Ideologie feind-
lichen Führer zu bekennen hatte selbstbestimmte Freiheit der Wissenschaft an den
Rand gedrängt. „Deutsche Physik“ und deutsche Physiker halfen dabei, Einstein
aus Deutschland zu vertreiben. Völkisch Verblasenes, Rassenideologie, sogar Verbre-
cherisches wie Mordprogramme unter dem Tarnbegriff Euthanasie und Säube-
rungsaktionen wie im „raumordnenden“ Generalplan Ost hatten dem lebendigen
Geist den Atem genommen. Uber dem Eingang der neuen Universität in Heidel-
berg war „lebendig“ durch „deutsch“ ersetzt, Pallas Athene durch einen Adler. Der
Umgang mit den jüdischen Gelehrten und Kollegen sowie Andersdenkenden lag als
dunkler Schatten auf Institutionen und Beteiligten, auch als nun seit der Stunde Null
keine Bomben mehr fielen und die Menschen anfingen, nicht allein über das nack-
te Überleben, sondern über die Zukunft nachzudenken.
Als Junge hatte Gisbert zu Putlitz seinem Vater, der Landwirt und diplomierter
Maschinenbauer war, viel in der Gutswerkstatt geholfen, bis hin zum Bau eigener
Maschinen. Nach dem Besuch der zweizügigen Volksschule in Groß Pankow - neben