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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2011 — 2012

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I. Das Geschäftsjahr 2011
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Wissenschaftliche Sitzungen
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Gesamtsitzung am 16. Juli 2011
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Grunwald, Reinhard: Lebendiger Geist:Wie geht es?
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https://doi.org/10.11588/diglit.55657#0082
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16.Juli 2011

101

1. Trauma und Wiedererwachen
2. Aufbau
3. Ausbau
4. Reifung

1945-1948
1949-1955
1956-1978
1979-1989

5. Wiedervereinigung: Die Zweite Chance

Verlust der Heimat
Neuorientierung
Wanderjahre
Der Professor in und aus
Heidelberg
Wiedergewinn der Heimat

Die Darstellung wird, auch das kann ja reizvoll sein, stellen wir uns etwa William
Turners Reiseskizzen von Rhein und Mosel oder Emil Noldes ungemalte Bilder
vor, eher skizzen- und anekdotenhaft bleiben. Der Versuchung, in Parallelprojektion
mit Powerpoint zu arbeiten, habe ich mit Rücksicht auf Gundolf und den dahinter
schwebenden Georgekreis widerstanden.
1. Trauma, Verlust der Heimat, Wiedererwachen
Anlässlich einer Ausstellung im Jahre 1979 in Berlin zum 100. Geburtstag von Lise
Meitner, Albert Einstein, Otto Hahn und Max von Laue sagte der französische
Soziologe und Publizist Raymond Aron: „Es hätte Deutschlands Jahrhundert werden
können “. Fritz Stern berichtet uns über diesen Ausspruch (Fritz Stern, Die zweite
Chance? Deutschland am Anfang und am Ende des Jahrhunderts, in: Verspielte
Größe. Essays zur deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts. München 1996, pp.
11-36 (11)).
1945 hatte Deutschland diese Chance, die ihm in erster Linie seine Kreativen,
die Wissenschaftler Künstler, Erfinder und tüchtigen Bürger eröffnet hatten, nachhaltig
zerstört und war dabei in der totalen Niederlage an den Rand der Vernichtung
gekommen. „Warschau ist nur noch ein geographischer Begriff auf der Landkarte
Europas“. Diese Feststellung der Nazis traf nicht einmal ein Jahr später weitgehend
auf Deutschland selbst zu.
In dieser in Trümmern liegenden, aus den Angeln gehobenen Welt treffen wir
Gisbert zu Putlitz, am 14. Februar 1931 in Rostock geboren, als Vierzehnjährigen
nicht weit von Berlin in Groß Pankow. Er ist ein Teenager, könnte man heute mei-
nen. Dieser nach Eiscreme und Coca Cola schmeckende Begriff träfe die damalige
Wirklichkeit nicht. Bereits während des Krieges waren Schüler als Flakhelfer einge-
setzt, Sechzehnjährige kämpften und starben im Sommer 1944 in der Normandie in
der 12. SS Panzerdivision Hitlerjugend. Mit zehn Jahren musste jeder Junge Mitglied
des Jungvolks, mit vierzehn der Hitlerjugend werden. In den letzten Wochen des
Krieges wurden Kinder in diesem Alter in Formationen des Volkssturms bzw. der
Hitlerjugend eingesetzt. Tausende dieser jungen Menschen waren noch im April
1945 in und um Berlin verbrecherisch in den Kampf getrieben worden, in vielen
Fällen namenlos gestorben und verscharrt worden.
Gisbert zu Putlitz, mit vollem Namen Gisbert Gans Edler Herr zu Putlitz,
stammt aus altem, seit dem Wendenkreuzzug unter Albrecht dem Bären und dem
damals 18jährigen Heinrich dem Löwen im Jahre 1147 in der Prignitz ansässigem
Adel. Seine Vorfahren hatten Städte - etwa Perleberg und Wittenberge - sowie 1231
das Nonnenkloster Marienfließ gegründet. Sie waren einerseits Lehensempfänger
 
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