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Nachrufe
HANS GEORG VON SCHNERING
(6.7.1931-22.7.2010)
Hans Georg von Schnering, Emeritus des Max-Planck-Instituts für Festkörperfor-
schung in Stuttgart, starb am 22. Juli 2010. Seine Forschungen in der Anorganischen
Chemie und Kristallchemie waren und bleiben wegweisend.
In seiner Antrittsrede in der Heidelberger Akademie charakterisierte er sich
und seinen frühen Werdegang treffend in einerWeise, wie dies einem Außenstehen-
den kaum gelingen kann: „Sie haben mich als Mitglied in die Akademie aufgenom-
men und sich damit das Recht erworben zu erfahren, wen diese Wahl auszeichnete.
Mein Vater stammt aus Reval, wo die Familie einige Jahrhunderte lebte; meine Mut-
ter war Potsdamerin, und so streiten sich in mir die liberale Großzügigkeit baltischer
Vorfahren mit den strengen Maximen preußischer Lebensformen, was auch auf den
regelmäßigen Besuch der Veranstaltungen der Akademie nicht ohne Auswirkungen
bleiben kann. Geboren wurde ich am 6. Juli 1931 in Ranis, Thüringen. Bleibende
Eindrücke gaben mir die Mark Brandenburg — mein Vater war Landarzt in einem
kleinen Dorf jenseits der Oder — mit ihren Kiefernwäldern auf sandigem Boden, die
Dorfschule in Crossen/Oder, vor allem aber das Internat der Herrnhuter Brüder-
gemeinde zu Niesky/Oberlausitz mit seiner unvergleichlichen Ausstrahlung einer
wahren Lehrer-Schüler-Gemeinschaft. — Flucht, Vertreibung, Flüchtlingslager und
schließlich Bäckerlehre in Landsberg/Dosse und später in Potsdam verschafften mir
in nur einem Jahr einen beträchtlichen Vorrat an experimenteller Lebenserfahrung,
praktizierter Flexibilität und Risikobereitschaft sowie den totalen Verlust aller schu-
lischen Kenntnisse. Dank des Roten Kreuzes traf sich die Familie 1946 beim kriegs-
Nachrufe
HANS GEORG VON SCHNERING
(6.7.1931-22.7.2010)
Hans Georg von Schnering, Emeritus des Max-Planck-Instituts für Festkörperfor-
schung in Stuttgart, starb am 22. Juli 2010. Seine Forschungen in der Anorganischen
Chemie und Kristallchemie waren und bleiben wegweisend.
In seiner Antrittsrede in der Heidelberger Akademie charakterisierte er sich
und seinen frühen Werdegang treffend in einerWeise, wie dies einem Außenstehen-
den kaum gelingen kann: „Sie haben mich als Mitglied in die Akademie aufgenom-
men und sich damit das Recht erworben zu erfahren, wen diese Wahl auszeichnete.
Mein Vater stammt aus Reval, wo die Familie einige Jahrhunderte lebte; meine Mut-
ter war Potsdamerin, und so streiten sich in mir die liberale Großzügigkeit baltischer
Vorfahren mit den strengen Maximen preußischer Lebensformen, was auch auf den
regelmäßigen Besuch der Veranstaltungen der Akademie nicht ohne Auswirkungen
bleiben kann. Geboren wurde ich am 6. Juli 1931 in Ranis, Thüringen. Bleibende
Eindrücke gaben mir die Mark Brandenburg — mein Vater war Landarzt in einem
kleinen Dorf jenseits der Oder — mit ihren Kiefernwäldern auf sandigem Boden, die
Dorfschule in Crossen/Oder, vor allem aber das Internat der Herrnhuter Brüder-
gemeinde zu Niesky/Oberlausitz mit seiner unvergleichlichen Ausstrahlung einer
wahren Lehrer-Schüler-Gemeinschaft. — Flucht, Vertreibung, Flüchtlingslager und
schließlich Bäckerlehre in Landsberg/Dosse und später in Potsdam verschafften mir
in nur einem Jahr einen beträchtlichen Vorrat an experimenteller Lebenserfahrung,
praktizierter Flexibilität und Risikobereitschaft sowie den totalen Verlust aller schu-
lischen Kenntnisse. Dank des Roten Kreuzes traf sich die Familie 1946 beim kriegs-