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VERANSTALTUNGEN
das Gleichnis vom verlorenen Sohn aufgriffen, versprachen eine disziplinierende
Wirkung, konnten doch damit die Folgen der Lasterhaftigkeit des Knaben zu Hause,
in der Schule und auch in der Stadt gezeigt werden; zudem ließen sich die Motive
und Charaktertypen der antiken (römischen) Komödie unterbringen. In dieser
Tradition stehen die Theaterstücke über Studenten, die die städtische Ordnung
stören, prassen, saufen, spielen, Schulden machen und das Studium vernachlässigen.
Den Anfang bildete die Schulkomödie „Acolastus“ (1529) von Wilhelm Gnapheus;
es folgten die Komödien „Studentes“ (1545) von Christoph Stymmel und „Corne-
lius relegatus“ (1600) des Rostocker Schulrektors Albert Wichgreve. Dieses Stück
fand an Lateinschulen und Universitäten im Nu weite Verbreitung. 1605 erschien es
unter demselben Titel in freier (frühneuhoch)deutscher Übersetzung des Osterwed-
dinger Pastors Johannes Sommer. In dieser Version führte die Theatergruppe „Vogel-
frei“ des Germanistischen Seminars im Rahmen des Universitätsjubiläums Johann
Sommers „Cornelius relegatus“ — im November 2011 in einer kritischen Edition
(edition scriptum) erschienen — mehrmals im Garten des Seminars (Karlstraße 2) auf,
so auch im Anschluss an den Vortrag nach den Darbietungen eines kleinen Seminar-
Chors und eines Bläserensemble der ESG.
7. Juli 2011
CLAUDIA WENZEL
Forschungsstelle Buddhistische Steinschriften in China
Pinselstrich oder Riss im Fels?
Gemeißelte Schriftzeichen und chinesische Kulturgeschichte
Das Anfertigen von Abreibungen mit Tusche auf Papier ist eine alte chinesische
Kunst, die seit Jahrhunderten gepflegt wird, um eine transportable „Kopie“ von orts-
gebundenen Steininschriften herzustellen. Dabei erfordert das Abreiben nicht nur
Geschicklichkeit im Umgang mit dem feuchten Reispapier auf der rauen Stein-
oberfläche, sondern auch eine Menge Erfahrung im Erkennen und Beurteilen der
oft verwitterten oder beschädigten altertümlichen Schriftzeichen auf dem rissigen
und zerklüfteten Untergrund, und am Ende des Prozesses wird auf dem Papier der
Abreibung genau das Schriftzeichen zu sehen sein, welches der Abreiber während
der Arbeit gesehen, identifiziert und gelesen hat.
Die Komplexität der Problematik wird deutlich am Beispiel eines im Jahr 579
u. Z. gemeißelten Schriftzeichens von der monumentalen Felsenstele des Berges Tie
in Zoucheng, Provinz Shandong. Die dortige Felsenfläche ist auf einer Breite von
14 Metern und einer Höhe von 51,7 Metern von etwa 1600 Schriftzeichen bedeckt;
links neben der Hauptinschrift, einer Passage über die 37 Faktoren der Erleuchtung
aus dem Großen Kompilationssutra, wurde eine Stifterinschrift unter dem Titel Stei-
VERANSTALTUNGEN
das Gleichnis vom verlorenen Sohn aufgriffen, versprachen eine disziplinierende
Wirkung, konnten doch damit die Folgen der Lasterhaftigkeit des Knaben zu Hause,
in der Schule und auch in der Stadt gezeigt werden; zudem ließen sich die Motive
und Charaktertypen der antiken (römischen) Komödie unterbringen. In dieser
Tradition stehen die Theaterstücke über Studenten, die die städtische Ordnung
stören, prassen, saufen, spielen, Schulden machen und das Studium vernachlässigen.
Den Anfang bildete die Schulkomödie „Acolastus“ (1529) von Wilhelm Gnapheus;
es folgten die Komödien „Studentes“ (1545) von Christoph Stymmel und „Corne-
lius relegatus“ (1600) des Rostocker Schulrektors Albert Wichgreve. Dieses Stück
fand an Lateinschulen und Universitäten im Nu weite Verbreitung. 1605 erschien es
unter demselben Titel in freier (frühneuhoch)deutscher Übersetzung des Osterwed-
dinger Pastors Johannes Sommer. In dieser Version führte die Theatergruppe „Vogel-
frei“ des Germanistischen Seminars im Rahmen des Universitätsjubiläums Johann
Sommers „Cornelius relegatus“ — im November 2011 in einer kritischen Edition
(edition scriptum) erschienen — mehrmals im Garten des Seminars (Karlstraße 2) auf,
so auch im Anschluss an den Vortrag nach den Darbietungen eines kleinen Seminar-
Chors und eines Bläserensemble der ESG.
7. Juli 2011
CLAUDIA WENZEL
Forschungsstelle Buddhistische Steinschriften in China
Pinselstrich oder Riss im Fels?
Gemeißelte Schriftzeichen und chinesische Kulturgeschichte
Das Anfertigen von Abreibungen mit Tusche auf Papier ist eine alte chinesische
Kunst, die seit Jahrhunderten gepflegt wird, um eine transportable „Kopie“ von orts-
gebundenen Steininschriften herzustellen. Dabei erfordert das Abreiben nicht nur
Geschicklichkeit im Umgang mit dem feuchten Reispapier auf der rauen Stein-
oberfläche, sondern auch eine Menge Erfahrung im Erkennen und Beurteilen der
oft verwitterten oder beschädigten altertümlichen Schriftzeichen auf dem rissigen
und zerklüfteten Untergrund, und am Ende des Prozesses wird auf dem Papier der
Abreibung genau das Schriftzeichen zu sehen sein, welches der Abreiber während
der Arbeit gesehen, identifiziert und gelesen hat.
Die Komplexität der Problematik wird deutlich am Beispiel eines im Jahr 579
u. Z. gemeißelten Schriftzeichens von der monumentalen Felsenstele des Berges Tie
in Zoucheng, Provinz Shandong. Die dortige Felsenfläche ist auf einer Breite von
14 Metern und einer Höhe von 51,7 Metern von etwa 1600 Schriftzeichen bedeckt;
links neben der Hauptinschrift, einer Passage über die 37 Faktoren der Erleuchtung
aus dem Großen Kompilationssutra, wurde eine Stifterinschrift unter dem Titel Stei-