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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2011 — 2012

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I. Das Geschäftsjahr 2011
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Wissenschaftliche Sitzungen
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Gesamtsitzung am 16. Juli 2011
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Grunwald, Reinhard: Lebendiger Geist:Wie geht es?
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https://doi.org/10.11588/diglit.55657#0091
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SITZUNGEN

Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre finden wir den lebendigen Geist in
Deutschland im wesentlichen ausdifferenziert. Die Schnittstellen des deutschen Wissen-
schaftssystems zum Ausland sind angelegt, insbesondere die europäische Zusammen-
arbeit intensiviert sich in diesen Jahren mit wesentlicher deutscher Beteiligung. Die
Ordinarienuniversität ist unter dem Massenandrang von Studenten eher zu einer
Überlebensgemeinschaft in der Not geworden. Die extreme Ausformung der Gruppen-
universität unter dem Schlagwort der Drittelparität wurde erst vom Bundesverfas-
sungsgericht 1977 angehalten und auf eine vernünftigere Balance der Interaktion der
beteiligten Universitätsangehörigen zurückgeführt.
Hatte bei der Mobilisierung von Bildungsreserven Mitte der 60er Jahre noch die
soziale Herkunft die Hauptrolle gespielt - trotz aller Verbesserungen stammen auch
heute noch in Deutschland im internationalen Vergleich besonders viele Studenten
aus sozial höheren Schichten —, traten nun Fragen der Frauenförderung in den Vor-
dergrund und Fragen der Internationalisierung.
Bildung und Forschung wurden als Wirtschaftsgüter erkannt. Das Beispiel der USA
zeigte, dass ausländische Studierende und die von ihnen bezahlten Studiengebühren
einen wesentlichen Beitrag zur Zahlungsbilanz leisten können, ganz abgesehen vom
intellektuellen Beitrag der jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. The new
production qf knowlegde (Michael Gibbons et al., The new production ofknowledge:
the dynamics of Science and research in Contemporary societies, London: Sage
(1994)) wurde zum Paradigma moderner Interaktion von akademischem und kom-
merziellem sowie gesellschaftlichem Bereich. So wie Innovation von Laborergebnis-
sen über Erfindungen, Prototypphase bis zum markterobernden Produkt führen
kann, so gehen Impulse auf allen Stufen des Innovationsprozesses von der Gesell-
schaft und der Wirtschaft, von Bürgern und Kunden aus, die die Forschung beein-
flussen können. Verbundforschung, Intensivierung des Wettbewerbs, Differenzierung der
Hochschulen und Clusterbildung wurden die neuen Leitthemen, ohne dass sie den lebendi-
gen Geist in Deutschland besonders schnell in Bewegung gesetzt oder gar zum
Sturm angefacht hätten: Es wurde ein Jahrhundertereignis Katalysator neuer Ansät-
ze für den lebendigen Geist, die Wiedervereinigung Deutschlands in der Mitte Europas.
Nach der Wiedervereinigung: Eine Zweite Chance?
Fritz Stern hatte seinen Bericht über den Ausspruch von Aron, das 20. hätte Deutsch-
lands Jahrhundert werden können, ergänzt um die eigene Überlegung, die Wieder-
vereinigung böte Deutschland eine „Zweite Chance“ (s.o.).
Der Kanzler der Wiedervereinigung Helmut Kohl hatte mit seiner Vision von
blühenden Landschaften im Osten innerhalb eines Jahrzehnts zunächst eher Spott
geerntet: Wenig international konkurrenzfähig und abgewirtschaftet erschien das
Kunstgebilde von sowjetischen Gnaden DDR, als ihre hinter dem Eisernen Vorhang ver-
borgene Realität offenbar wurde. Dies galt insbesondere für den Zustand der Gebäu-
de und der Infrastruktur. Dem lebendigen Geist ging es in der DDR schlecht, ihm fiel das
Atmen in der Gefängnisluft schwer. Die „geplante Wissenschaft“ hatte mit strahlenförmig
vom Zentrum ausgehenden und umgekehrt darauf zurückzielenden Kommunikati-
 
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