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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2011 — 2012

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I. Das Geschäftsjahr 2011
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Wissenschaftliche Sitzungen
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Gesamtsitzung am 16. Juli 2011
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Grunwald, Reinhard: Lebendiger Geist:Wie geht es?
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https://doi.org/10.11588/diglit.55657#0092
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16.Juli 2011

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onswegen dazu geführt, dass Quervernetzung kaum stattfand. Das Nebeneinander
von Universitäten und Instituten der Akademie der Wissenschaften (AdW) der DDR
hatte zudem zu Imbalancen geführt, die auch nach der Wiedervereinigung nur
schwer zu überwinden waren.
Wie 1945 ging es in den Jahren ab 1989 darum, Bewahrenswertes aus dem Wis-
senschaftssystem eines gescheiterten Ideologie basierten totalitären Zentralstaates auf
deutschem Boden zu identifizieren, zu sichern und in den nun allerdings existieren-
den Bundesstaat zu integrieren. Der öffentlich geförderten Forschung erging es dabei bes-
ser als der Industrieforschung. Die Universitäten wurden von den Neuen Bundeslän-
dern übernommen, die Einrichtungen der Akademie der Wissenschaften der DDR
nach Evaluation durch den Wissenschaftsrat nach Art. 48 des Einigungsvertrages in
die Förderungsformen der Bundesrepublik überführt. Die Politik folgte dabei den von
Wissenschaftlern gegebenen Empfehlungen und setzte sie um. Dies ist eine Leistung des
nun vereinten „lebendigen Geistes“, zu der uns ausländische Kollegen auch heute
noch ihre Anerkennung aussprechen. In Deutschland ist diese rasche Überführung
nicht ohne herbe Kritik geblieben, die im Laufe der Zeit nicht zuletzt auch von
selbst intensiv daran Beteiligten geübt wurde. Sie ersparte aber vor allem vielen Mit-
arbeitern der AdW-Institute das Schicksal der weit über 20 000 Mitarbeiter der
Industrieforschung, die fast alle in die Arbeitslosigkeit entlassen wurden. Sie war die
Voraussetzung für die anschließende Systemevaluation von DFG und MPG durch
eine internationale Gutachtergruppe. Sie bildete schließlich die Grundlage für die
Exzellenzinitiative, bei der DFG und WR Bund und Ländern als Ergebnis eines wis-
senschaftlichen Wettbewerbes Vorschläge zur Weiterentwicklung der Universitäten
und ihrer Kooperationspartner machten, die umgesetzt wurden.
In dieser für die Entwicklung des lebendigen Geistes besonders wichtigen Jah-
ren finden wir Gisbert zu Putlitz nicht nur als Wissenschaftler fleißig: Der zerrissenen
Vorhang gibt auch den Weg in die geliebte Heimat wieder frei.
War er von 1987 bis zu ihrer Auflösung 1990 Mitglied der Akademie der Wis-
senschaften zu Berlin, wurde er kurz darauf 1994 Mitglied der Deutschen Akademie der
Naturforscher Leopoldina: Sie war die während der Jahre der Teilung einzig funktionie-
rende Brücke zwischen den Wissenschaftlern in der DDR und Wissenschaftlern im
westlichen Ausland gewesen, nicht zuletzt in der Bundesrepublik. In den Jahren nach
der Wiedervereinigung wurde sie ein wichtiges Forum der Integration und schließ-
lich 2008 zur Nationalakademie erhoben. Neben und nach seinem Rektoramt an der
Ruperto Carola hatte sich Gisbert zu Putlitz als Rektor der Hochschule für Jüdische Stu-
dien in Heidelberg (1986-1988) engagiert, wurde Vorsitzender des Vorstands der G.
Daimler- und K. Benz-Stiftung und war Mitglied in- und ausländischer Akademien
geworden. Hervorzuheben sind daraus die New York Academy of Sciences und die
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften. Eine ganz besondere Rolle
spielt für Gisbert zu Putlitz aber die Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Korre-
spondierendes Mitglied wurde er 1988, ordentliches Mitglied ist er seit 1991. Als ihr
Präsident amtierte er von 2000 bis 2003.
Mit seiner unsentimentalen Sicht auf die Politikberatung - er habe immer nur
Rat auf Gebieten gegeben, die zu seiner wissenschaftlichen Expertise gehörten - hat
 
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