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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2011 — 2012

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I. Das Geschäftsjahr 2011
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Wissenschaftliche Sitzungen
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Gesamtsitzung am 16. Juli 2011
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Grunwald, Reinhard: Lebendiger Geist:Wie geht es?
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https://doi.org/10.11588/diglit.55657#0094
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16.Juli 2011

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mission nach dem etatistisch ausgerichteten französischen Modell hat sich für lang-
fristige, eher grundlagenorientierte Innovationsansätze nicht als besonders wirksam
erwiesen. Die hochdotierten Förderprogramme für Energie- und Informationstech-
nologien führten eher zu Mitnahme effekten der jeweiligen Industrien als zu Durch-
brüchen. Der induktiv bottom up arbeitende Ansatz, über den thematisch freien Wett-
bewerb der Personen und Ideen vorzugehen, gewinnt in diesen Jahren Raum. Er ist
nicht nur als tragendes Prinzip seit dem 7. Europäischen Forschungsrahmenpro-
gramm (RP) neben den eher industrieorientierten Programmen etabliert, wird sich
vielmehr vorhersehbar im derzeit vorbereiteten 8. RP weiter durchsetzen. So weht der
lebendige Geist zunehmend auch europäisch.
Gisbert zu Putlitz hat seinen lebendigen Geist auf ganz unterschiedliche Weise
europäisch eingebracht. Er ist nicht nur seit 1991 Mitglied der Academia Europaea, hat
sich vielmehr weit darüber hinaus europäisch engagiert: Er war Mitglied von
Arbeitsgruppen der European Science Foundation und arbeitete in europäischen
Beratergruppen mit, etwa beim schweizerischen Paul-Scherrer-Institut seit 1988. Er
war Präsident von dessen Beratender Kommission von 1996 bis 2002. Seit 1976 fun-
gierte er als Mitherausgeber der Zeitschrift für Physik, ab 1998 European Physical
Journal.
Wie hat er das gemacht? Zugute kam ihm dabei zunehmend seine grosse Gre-
mienerfahrung. Er entwickelte einerseits die Geduld des Zuhörens, brachte dann aber
den guten Vorschlag, der die Diskussion unter Reduktion auf das Wesentliche zusam-
menfasste und abschloss. Sein Geschick bestand besonders darin, dass er sich auf
Umsetzbares konzentrierte. Ein Schlüsselbegriff seines Erfolges ist Kompetenz, ein zwei-
tes, mindestens gleich wichtig, sein Spass am Machen und der Charme, den er dabei
entwickeln kann. Dass darunter seine Durchsetzungsfähigkeit und -bereitschaft nicht lit-
ten, können alle diejenigen bezeugen, die sich am empfangenen Ende seines Unwil-
lens fanden. Ihnen konnte während des Rektorats etwa geschehen, dass als töricht
empfundene Post und die blitzende Replik des verkörperten lebendigen Geistes am
Schwarzen Brett, das so zum Schandbrett wurde, aushingen.
Ausblick
Ein langer, ereignis- und erlebnisreicher Weg liegt zwischen Groß Pankow, Schloss
Elgersburg, Erlangen, Heidelberg, Los Alamos, New York, Heidelberg und wieder der
Prignitz. Der Heranwachsende, der Vater und Heimat verlor, bewährte sich früh als
Mann und Ernährer der Familie, legte breite Fundamente für seinen Beruf als
Wissenschaftler und Wissenschaftsmanager und gestaltete das deutsche Wissen-
schaftssystem an entscheidenden Stellen mit: Er war der richtige Mann zur richtigen Zeit
am richtigen Ort. Er hat dem lebendigen Geist nicht nur hier gedient, er hat ihm ge-
rade auch dort geholfen, wo es ihm nicht gut ging, etwa in Russland, Vietnam und
Polen, und, etwa in Nord Korea, gar nicht gut geht.
Die Befindlichkeit des Lebendigen Geistes ist gegenüber der Zeit von 1945 unver-
gleichlich viel besser geworden, nochmals seit der Wiedervereinigung. Sowohl in
deutscher als auch europäischer Ausprägung geht es ihm - ungeachtet manches Weh-
 
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