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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2012 — 2013

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I. Das Geschäftsjahr 2012
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Lachmann, Renate: Aleksandr Puškin Eugen Onegin und dessen Nachgeschichte im Werk Vladimir Nabokovs: Festrede
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https://doi.org/10.11588/diglit.55656#0032
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12. Mai 2012

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Abb. 3

Abb. 4

Nachfolge interpretiert. Nabokov war daran gelegen, Korrespondenzen zwischen
seiner eigenen und Puskins Biographie herauszuarbeiten, die er durch Anspielungen
und in einer Art Selbstmystifikation in seinen Werken zur Geltung zu bringen
wusste. So auch in einem Meisterwerk des Genres Dichtung und Wahrheit mit dem
Titel Speak, Memory von 1967.
Es gibt merkwürdige Entsprechungen angesichts der offensichtlichen Obses-
sionen der beiden Autoren für bestimmte Tätigkeiten, Objekte und Instrumente: das
Duell bei dem einen, das Schachspiel bei dem anderen. Puskins Pistolen, denen er in
seinen Brouillons etliche Zeichnungen widmet, haben in Nabokovs Jagdinstrument,
dem Schmetterlingsnetz, ihre Entsprechung (Abb. 9). Puskins erotisches Interesse an
unbekleideten oder in neckischen Pantoffeln steckenden weiblichen Füßen, von
dem etliche Gedichte und Zeichnungen zeugen, findet sein Pendant in Nabokovs
Nymphen-Phantasie. Auch die Skandale stellen Verbindungen zwischen Puskin und
Nabokov her: zum einen die verheimlichten und immer wieder auftauchenden
Gerüchte um Affären Puskins und den wahren Hintergrund des Duells, dem er zum
Opfer fiel, zum andern die Empörung, die Lolita hervorrief.
Stärker noch als die biographischen Verbindungen erscheint jedoch etwas, was
man als die (Selbst-)Bindung Nabokovs an Puskin bezeichnen kann, die in zwei sei-
ner Arbeiten zum Ausdruck kommt: in der englischen Übersetzung von Puskins
Versroman Eugen Onegin und in dem über zweitausend Seiten umfassenden Kom-
mentar dazu. An beiden Großunternehmen hat Nabokov länger als an irgendeinem
seiner anderen Werke gearbeitet, beide entstanden in zeitlicher Nachbarschaft zu sei-
nen großen englischen Romanen.
 
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