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SITZUNGEN
fuhrt, wenn das Versprechen fristgemäßer Darlehensrückzahlung von beiden Ver-
tragsparteien als nicht verbindlich verstanden wird, dadurch aber die Zinsverpflich-
tungen langfristig auf 100 oder mehr Prozent der Darlehenssumme steigen.
Wenn der Auftrag zur Wiedervereinigung Deutschlands 40 Jahre lang nicht
erfüllt werden konnte, ist jedes staatliche Handeln verfassungsgemäß, dass sich die-
sem Ziel annähert, die Rechtswirklichkeit also ein Stück näher an das Rechtsideal
heranträgt. Dieses ist gesicherter Stand gefestigter Rechtsprechung. Die Annäherung
an das Recht erlaubt grundsätzlich nur vorläufige Maßnahmen, weil der Übergang
zum Recht auf weitere Schritte zum Recht angelegt ist. Zudem gerät jeder Sanie-
rungsschritt unter besonderen Rechtfertigungszwang: Es muss offensichtlich sein,
dass mit jeder Maßnahme die Annäherung an mehr Stabilität von Recht und
Währung gelingen wird.
Auf diesem Weg zurück zum Recht wäre zu bedenken, ob eine Finanztrans-
aktionssteuer den Finanzmarkt verlangsamt, eine bei den indirekten Steuern be-
stehende Gerechtigkeitslücke schließt, vor allem aber den Störer zur Mitfinan-
zierung der Störungsfolgen heranzieht; ob der Abbau der Subventionen — durch
Aktivierung des europarechtlichen Beihilfeverbotes und des nationalen Subventions-
abbaugebotes — zu mehr Verteilungsgerechtigkeit führen kann. Die Last des Dar-
lehens könnte gegenwärtig spürbar gemacht, die demokratische Kontrolle dadurch
erneut in Wirkung gesetzt werden, wenn ein Gesetz vorschreibt, dass bei jeder
Erhöhung der Schulden um 1 % alle Staatsleistungen — die Gehälter, die Sozialhilfe,
das BAföG, die Industriesubventionen — um 1 % gemindert werden, jeder Bürger
also in seinem Portemonnaie verspürt, dass eine Staatsverschuldung ihn gegenwärtig
belastet. Schließlich wäre auch zu erwägen, Finanzhilfen allenfalls auf Gegenseitig-
keit zu gewähren.
IV Restrukturierung des Europarechts
Finanzkrisen sind die Stunde von Recht und Demokratie. Wenn der Wohlstand
bedroht ist, die Verteilungsgerechtigkeit verfehlt wird, sich teilweise Existenzangst
verbreitet, rufen die Menschen nach einem besseren Recht, wollen demokratisch
Einfluss auf dieses Recht gewinnen. Die Demokratie ist in Deutschland erkämpft
worden, damit der Steuerzahler selbst, repräsentiert durch seine Abgeordneten, über
die Höhe der Staatsausgaben, der Schulden und der Steuerlast entscheidet. Wir brau-
chen uns gegenwärtig nicht mit einer solchen neuen Verfassunggebung - einer
Revolution — auseinanderzusetzen, haben vielmehr die Chance, durch Erneuerung
des geltenden Rechts die Entwicklung von Staat und Europäischer Union zum
Guten zu wenden.
Unsere Ideale einer Europäischen Union sind nicht widerlegt und nicht ver-
braucht. Das Unionsrecht hat ein besonderes Recht der Finanzstabilität geschaffen,
das die nicht erreichbare politische Union durch strikte Rechtsbindungen für die
Staatsverschuldung zu ersetzen sucht. Dieses Recht allerdings wurde jahrelang fast
ausschließlich auf das Verhältnis zwischen Union und Mitgliedstaaten bezogen und
dort vernachlässigt. Es ist nun verstärkt im Verhältnis zwischen Währungsunion und
SITZUNGEN
fuhrt, wenn das Versprechen fristgemäßer Darlehensrückzahlung von beiden Ver-
tragsparteien als nicht verbindlich verstanden wird, dadurch aber die Zinsverpflich-
tungen langfristig auf 100 oder mehr Prozent der Darlehenssumme steigen.
Wenn der Auftrag zur Wiedervereinigung Deutschlands 40 Jahre lang nicht
erfüllt werden konnte, ist jedes staatliche Handeln verfassungsgemäß, dass sich die-
sem Ziel annähert, die Rechtswirklichkeit also ein Stück näher an das Rechtsideal
heranträgt. Dieses ist gesicherter Stand gefestigter Rechtsprechung. Die Annäherung
an das Recht erlaubt grundsätzlich nur vorläufige Maßnahmen, weil der Übergang
zum Recht auf weitere Schritte zum Recht angelegt ist. Zudem gerät jeder Sanie-
rungsschritt unter besonderen Rechtfertigungszwang: Es muss offensichtlich sein,
dass mit jeder Maßnahme die Annäherung an mehr Stabilität von Recht und
Währung gelingen wird.
Auf diesem Weg zurück zum Recht wäre zu bedenken, ob eine Finanztrans-
aktionssteuer den Finanzmarkt verlangsamt, eine bei den indirekten Steuern be-
stehende Gerechtigkeitslücke schließt, vor allem aber den Störer zur Mitfinan-
zierung der Störungsfolgen heranzieht; ob der Abbau der Subventionen — durch
Aktivierung des europarechtlichen Beihilfeverbotes und des nationalen Subventions-
abbaugebotes — zu mehr Verteilungsgerechtigkeit führen kann. Die Last des Dar-
lehens könnte gegenwärtig spürbar gemacht, die demokratische Kontrolle dadurch
erneut in Wirkung gesetzt werden, wenn ein Gesetz vorschreibt, dass bei jeder
Erhöhung der Schulden um 1 % alle Staatsleistungen — die Gehälter, die Sozialhilfe,
das BAföG, die Industriesubventionen — um 1 % gemindert werden, jeder Bürger
also in seinem Portemonnaie verspürt, dass eine Staatsverschuldung ihn gegenwärtig
belastet. Schließlich wäre auch zu erwägen, Finanzhilfen allenfalls auf Gegenseitig-
keit zu gewähren.
IV Restrukturierung des Europarechts
Finanzkrisen sind die Stunde von Recht und Demokratie. Wenn der Wohlstand
bedroht ist, die Verteilungsgerechtigkeit verfehlt wird, sich teilweise Existenzangst
verbreitet, rufen die Menschen nach einem besseren Recht, wollen demokratisch
Einfluss auf dieses Recht gewinnen. Die Demokratie ist in Deutschland erkämpft
worden, damit der Steuerzahler selbst, repräsentiert durch seine Abgeordneten, über
die Höhe der Staatsausgaben, der Schulden und der Steuerlast entscheidet. Wir brau-
chen uns gegenwärtig nicht mit einer solchen neuen Verfassunggebung - einer
Revolution — auseinanderzusetzen, haben vielmehr die Chance, durch Erneuerung
des geltenden Rechts die Entwicklung von Staat und Europäischer Union zum
Guten zu wenden.
Unsere Ideale einer Europäischen Union sind nicht widerlegt und nicht ver-
braucht. Das Unionsrecht hat ein besonderes Recht der Finanzstabilität geschaffen,
das die nicht erreichbare politische Union durch strikte Rechtsbindungen für die
Staatsverschuldung zu ersetzen sucht. Dieses Recht allerdings wurde jahrelang fast
ausschließlich auf das Verhältnis zwischen Union und Mitgliedstaaten bezogen und
dort vernachlässigt. Es ist nun verstärkt im Verhältnis zwischen Währungsunion und