26. Januar 2013
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nehmen, aber auch Ballast abwerfen kann, fehlen. Der Zug ist aus den Gleisen des
Europarechts herausgesprungen. Er droht zu entgleisen. Es hat Verletzte gegeben,
Geldeigentümer, Kinder, Bürger der Schuldnerstaaten. Der Bürger erwartet nun, dass
die Techniker nicht nur eine unzulängliche Steuerungsfähigkeit der Gleise feststel-
len, sondern diese Steuerungsfähigkeit der Gleise wieder herstellen. Dem Jedermann
sichert allein das Recht die Chance angemessener Beteiligung an der allgemeinen
Prosperität. Doch vielfach wird empfohlen, den Zug auf einer Nebentrasse weiter-
fahren zu lassen, bei der die Gleise im Bau, geplant und versprochen, aber noch nicht
vollendet sind.
III. Die schrittweise Rückkehr zum Recht
In diese Krise gibt es nur einen Weg. Die gegenwärtige Finanzkrise ist durch Miss-
achtung des Rechts entstanden. Wenn die Staaten die rechtlichen Schuldengrenzen
beachtet hätten, wenn die Finanzautonomie betont worden wäre, wenn jeder Staat
durch unmittelbare Kreditnachfrage am Markt die Erfahrung gemacht hätte, dass
schlechte Bonität hohe Zinsen zur Folge hat, wenn die EZB nur die Währung, nicht
auch Staaten stabilisiert hätte, so wäre diese Finanzkrise vermieden worden. Nun-
mehr bemühen sich die Staaten als Verfassungsstaaten und als Mitglieder der europäi-
schen Rechtsgemeinschaft, in die Legalität zurückzukehren, können dieses Ziel aber
selbst in einem gewaltigen Kraftakt nicht spontan erreichen. Wollte die Bundesrepu-
blik von einer Gesamtverschuldung von fast 80 % des BIP zu der rechtlich zulässigen
Gesamtverschuldung von 60% des BIP zurückkehren, müsste sie eine Summe
zurückzahlen, die höher wäre als das jährliche Steueraufkommen. Deswegen wird
der Staat die nächsten Haushalte noch im Bewusstsein von deren Rechtswidrigkeit
beschließen müssen.
Dies scheint eine Provokation des Rechts. Doch weiß die Rechtsordnung mit
diesem ernsten Problem umzugehen. Wenn das Beste — die Legalität — nicht mög-
lich ist, müssen wir das Gute tun: Wir kehren Schritt für Schritt zum Recht zurück,
erreichen in stetiger Annäherung letztlich das Ziel der Legalität.
Das Verfahren einer Annäherung an das Recht widerspricht der These, Not
kenne kein Gebot. Zwar sind wir in großer Not — einer Instabilität des Rechts und
damit der Währung —, bemühen uns aber deshalb gerade um die Rückkehr zum
Recht. Wenn kein Gebot mehr gälte, verlöre die Europäische Rechtsgenieinschaft
ihre Existenzgrundlage. Der Kommissionspräsident hätte kein Mandat mehr. Staats-
chefs, Minister, Abgeordnete könnten für uns nicht mehr verbindlich handeln, weil
ihr Mandat ein rechtliches ist. Der Darlehensvertrag wäre nicht mehr verbindlich,
wir wären aller unserer Schulden ledig. Doch der Preis dafür wäre zu hoch: Der
innere Frieden wäre gefährdet. Das Wirtschaftsleben verlöre seine Grundlage des
verbindlichen Vertrages. Der Staat geriete zumindest temporär in eine Unverfasst-
heit.
Bei der Annäherung an das Recht stellt sich die Frage, ob ein Darlehensvertrag
verbindlich ist, wenn er gegen den Unionsvertrag und gegen das Grundgesetz ver-
stößt, wenn er den darlehensnehmenden Staat in die Nähe der Zahlungsunfähigkeit
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nehmen, aber auch Ballast abwerfen kann, fehlen. Der Zug ist aus den Gleisen des
Europarechts herausgesprungen. Er droht zu entgleisen. Es hat Verletzte gegeben,
Geldeigentümer, Kinder, Bürger der Schuldnerstaaten. Der Bürger erwartet nun, dass
die Techniker nicht nur eine unzulängliche Steuerungsfähigkeit der Gleise feststel-
len, sondern diese Steuerungsfähigkeit der Gleise wieder herstellen. Dem Jedermann
sichert allein das Recht die Chance angemessener Beteiligung an der allgemeinen
Prosperität. Doch vielfach wird empfohlen, den Zug auf einer Nebentrasse weiter-
fahren zu lassen, bei der die Gleise im Bau, geplant und versprochen, aber noch nicht
vollendet sind.
III. Die schrittweise Rückkehr zum Recht
In diese Krise gibt es nur einen Weg. Die gegenwärtige Finanzkrise ist durch Miss-
achtung des Rechts entstanden. Wenn die Staaten die rechtlichen Schuldengrenzen
beachtet hätten, wenn die Finanzautonomie betont worden wäre, wenn jeder Staat
durch unmittelbare Kreditnachfrage am Markt die Erfahrung gemacht hätte, dass
schlechte Bonität hohe Zinsen zur Folge hat, wenn die EZB nur die Währung, nicht
auch Staaten stabilisiert hätte, so wäre diese Finanzkrise vermieden worden. Nun-
mehr bemühen sich die Staaten als Verfassungsstaaten und als Mitglieder der europäi-
schen Rechtsgemeinschaft, in die Legalität zurückzukehren, können dieses Ziel aber
selbst in einem gewaltigen Kraftakt nicht spontan erreichen. Wollte die Bundesrepu-
blik von einer Gesamtverschuldung von fast 80 % des BIP zu der rechtlich zulässigen
Gesamtverschuldung von 60% des BIP zurückkehren, müsste sie eine Summe
zurückzahlen, die höher wäre als das jährliche Steueraufkommen. Deswegen wird
der Staat die nächsten Haushalte noch im Bewusstsein von deren Rechtswidrigkeit
beschließen müssen.
Dies scheint eine Provokation des Rechts. Doch weiß die Rechtsordnung mit
diesem ernsten Problem umzugehen. Wenn das Beste — die Legalität — nicht mög-
lich ist, müssen wir das Gute tun: Wir kehren Schritt für Schritt zum Recht zurück,
erreichen in stetiger Annäherung letztlich das Ziel der Legalität.
Das Verfahren einer Annäherung an das Recht widerspricht der These, Not
kenne kein Gebot. Zwar sind wir in großer Not — einer Instabilität des Rechts und
damit der Währung —, bemühen uns aber deshalb gerade um die Rückkehr zum
Recht. Wenn kein Gebot mehr gälte, verlöre die Europäische Rechtsgenieinschaft
ihre Existenzgrundlage. Der Kommissionspräsident hätte kein Mandat mehr. Staats-
chefs, Minister, Abgeordnete könnten für uns nicht mehr verbindlich handeln, weil
ihr Mandat ein rechtliches ist. Der Darlehensvertrag wäre nicht mehr verbindlich,
wir wären aller unserer Schulden ledig. Doch der Preis dafür wäre zu hoch: Der
innere Frieden wäre gefährdet. Das Wirtschaftsleben verlöre seine Grundlage des
verbindlichen Vertrages. Der Staat geriete zumindest temporär in eine Unverfasst-
heit.
Bei der Annäherung an das Recht stellt sich die Frage, ob ein Darlehensvertrag
verbindlich ist, wenn er gegen den Unionsvertrag und gegen das Grundgesetz ver-
stößt, wenn er den darlehensnehmenden Staat in die Nähe der Zahlungsunfähigkeit