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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2013 — 2014

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I. Das akademische Jahr 2013
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Wissenschaftliche Sitzungen
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Antrittsreden
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Holzinger, Katharina: Antrittsrede von Frau Katharina Holzinger an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften vom 26. Oktober 2013
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https://doi.org/10.11588/diglit.55655#0159
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182

ANTRITTSREDEN

Antrittsrede von Frau KATHARINA holzinger
an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften vom 26. Oktober 2013.

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Damen und Herren Sekretäre;
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
zunächst möchte ich meine Freude über die ehrenvolle
Aufnahme in die Akademie ausdrücken und mich ganz
besonders bei den Mitgliedern bedanken, die die Mühe
auf sich genommen haben, den Vorschlag zu unterbreiten.
Den eigenen wissenschaftlichen Lebenslauf vor-
zustellen ist ein eher ungewohntes Unterfangen. Ich
möchte meinem Versuch die folgende Überschrift
geben:
Wege und Umwege
Heute bin ich Professorin für Internationale Politik und Konfliktforschung an der
Universität Konstanz — eine Position, die mir nicht unbedingt in die Wiege gelegt
war, und die ich erst nach vielen Umwegen erreicht habe. Ich entstamme einem
sogenannten „bildungsfernen Elternhaus“, die Mutter Hausfrau, der Vater ein Hand-
werksmeister, der in den 1970er Jahren stolz darauf war, seine Töchter zur Realschule
geschickt zu haben. Trotz sehr guter Noten dieser Töchter in der Grundschule kam
ein Gymnasium nicht in Frage, es wurde gar nicht erst in Erwägung gezogen. Auch
nicht von den Töchtern.
So habe ich also eine bayerische Realschule besucht, in der der mathematische
Zweig für Mädchen nicht zugelassen war. Ich musste auf den künstlerischen Zweig
ausweichen. Dort gab es etwas mehr Mathematik sowie Werken und Technisches
Zeichnen - das war immerhin besser als Stenographie und Maschineschreiben im
kaufmännischen Zweig. Biologie gab es auch nicht für uns: Wir Mädchen hatten
Unterricht in Erziehungskunde und Hauswirtschaft.
Nun muss ich einräumen, dass ich in der Pubertät selbst nicht besonders an der
Schule interessiert war. Meine Mutter war schwer erkrankt, mein Vater mit fünf Kin-
dern im Haus in dieser Situation überfordert. Mein Realschulabschlusszeugnis fiel so
aus, dass man damit heute keine Ausbildungsstelle bekäme; und auch damals war es
schon schwer. Glücklicherweise musste ich es später nie wieder vorlegen. Die Auf-
nahmeprüfung zur Bibliotheksassistentin, die allerhand Allgemeinwissen abffagte,
habe ich dann nicht bestanden. Für die Schreinerei hat mich damals ebenfalls nie-
mand akzeptiert, als Mädchen. Heute bin ich dankbar, dass das nicht geklappt hat.
Ich habe schließlich eine Lehre als Buchhändlerin absolviert. Und die Buch-
händlerei hat mir dann doch Lust auf Bildung gemacht: eine große Universitäts-
Buchhandlung in München, das ganze Wissen in Buchform um mich herum, die
Studierenden als Kunden; meine neuen Freundinnen hatten Abitur und betrachte-
ten die Buchhandels-Lehre als Zwischenstation vor dem Studium.
 
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