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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2013 — 2014

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I. Das akademische Jahr 2013
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Wissenschaftliche Sitzungen
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Antrittsreden
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Winnacker, Albrecht: Antrittsrede von Herrn Albrecht Winnacker an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften vom 20. Juli 2013
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https://doi.org/10.11588/diglit.55655#0154
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Albrecht Winnacker

177

Antrittsrede von Herrn Albrecht winnacker

an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften vom 20. Juli 2013.


Sehr geehrter Herr Präsident,
meine Damen und Herren,
Ich wurde im Kriegsjahr 1942 in Frankfurt am Main als
Siebenmonatskind geboren. Meine Eltern mussten
unterschreiben, dass das kümmerliche, anfällige Wesen
bei dem fast allabendlichen Bombenalarm nicht in den
sicheren Luftschutzkeller der Klinik gebracht, sondern
oben in seinem Bettchen belassen werden sollte. Meine
Frau behauptet, ich hätte davon einen bleibenden Scha-
den davongetragen, da ich regelmäßig gegen V2 11 Uhr

abends anfinge, etwas zu suchen.
Vielleicht hängt mein Interesse an der Anwendung der Wissenschaft, wovon
noch die Rede sein wird, damit zusammen, dass ich meine ersten Lebensjahre auf
einem Industriegelände verlebte, in einem Haus auf dem Gelände des Werkes
Höchst der LG. Farbenindustrie. Mein Vater war dort als Chemiker tätig, es war
damals üblich, dass die für einen Betrieb verantwortlichen Chemiker auf dem Werks-
gelände wohnten.
Meine Gymnasiumzeit verbrachte ich in Königstein im Taunus zusammen mit
einem älteren Bruder und einer jüngeren Schwester. Der Direktor, eine flamboyante
Persönlichkeit, war von den Nationalsozialisten seines Amtes enthoben worden und
hatte nach dem Krieg noch einmal die Chance bekommen, ein Gymnasium in sei-
nem Sinne, im humanistischen Geist aufzubauen. Wie hoch er von seinen Schülern
geschätzt wurde, geht aus dem sicherlich seltenen Vorgang hervor, dass wir, eine
Gruppe Ehemaliger, ihm mehr als dreißig Jahre nach dem Abitur ein lebensgroßes
Bronzedenkmal am früheren Standort der Schule errichteten.
Mein Entschluss Physik zu studieren war sicher stark durch das Elternhaus
geprägt. Wie erwähnt, war mein Vater als Chemiker im Werk Höchst der LG. Farben-
industrie tätig. Als nach dem Krieg das Unternehmen in die drei großen Konzerne
Bayer Leverkusen, Höchst und BASF „entflochten“ wurde, wurde er Vorsitzender
des Vorstands der Hoechst AG, ein Amt, das er 18 Jahre innehatte, gefolgt noch ein-
mal von 11 Jahren als Vorsitzender des Aufsichtsrats. Obwohl also ein erfolgreicher
Industrieller, gehörte seine Liebe der Wissenschaft und der Universität, denen er
eigentlich sein Berufsleben hatte widmen wollen. So betätigte er sich in seinen zahl-
reichen Nebenämtern nicht in den Vereinigungen von Wirtschaft und Politik, son-
dern der Wissenschaft, und wirkte dort mit den bedeutenden Wissenschaftlern der
Zeit am Wiederaufbau der Wissenschaft und ihrer Strukturen nach dem Krieg mit.
Die Mitglieder unserer Akademie Genthner und Haxel schätzte er sehr, mit Haxel war
er freundschaftlich verbunden. So waren in meinem Elternhaus Naturwissenschaft
und Technische Industrie mit ihrer großen Tradition sozusagen allgegenwärtig.
 
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