116
SITZUNGEN
„Können wir die anstehenden technischen Probleme lösen“ und „Finden wir die
richtige Balance, um im Netz ein virtuelles Rechtssystem aufzubauen, welches ein
Zusammenleben in gegenseitigem Respekt, in Freiheit und Sicherheit garantiert?“
Öffentliche Gesamtsitzung an der Universität Ulm
am 14. Dezember 2013
ERÖFFNUNG DER SITZUNG DURCH DEN PRÄSIDENTEN
DER HEIDELBERGER AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN PAUL KIRCHHOF
Herr Präsident, lieber Herr Professor Ebeling, meine Damen und Herren,
ich freue mich, die Sitzung der Heidelberger Akademie der Wissenschaften zum
Thema „Ethische Fragen moderner Medizin“ hier in Ulm zu eröffnen. Es ist in der
Tat eine vorweihnachtliche Veranstaltung. Wir haben dieses schöne Haus über den
Weihnachtsmarkt betreten, nunmehr vorweihnachtliche Gaben über den
„Löwenmenschen“ empfangen, blicken mit großen Erwartungen und Hoffnungen
dem entgegen, was unsere Referenten uns gleich zu sagen haben. Ich darf Sie mit
wenigen Worten auf eine der Grundsatzfragen der Moderne einstimmen, der wir uns
heute widmen wollen. Dabei ist es der Akademie ein besonderes Anliegen, die stän-
dige kritische Begegnung zwischen Natur- und Geisteswissenschaften zu pflegen.
Am Beginn des menschlichen Lebens ist die Ethik gefordert, wenn wir einen
werdenden Menschen, ein Leben mit allen seinen identitätsbestimmenden Merk-
malen, schon im Reagenzglas herstellen können. Aber wann gilt hier der ver-
fassungsrechtliche Schutz für menschliches Leben? Inwieweit sind die Eltern ver-
pflichtet, dieses Leben als ihr Kind auszutragen und anzunehmen? Darf die Medizin
Mängel am Embryo korrigieren, gar „Idealtypen“ des wirtschaftlich tüchtigen,
sportlich leistungsfähigen, politisch friedlichen Menschen produzieren?
Am Ende des menschlichen Lebens stehen wir vor der Frage, wie lange wir das
menschliche Leben nach Kräften verlängern müssen, wann wir der Natur ihren Lauf
lassen dürfen. Das Anliegen des zum Tode bestimmten Menschen, in Würde sterben
zu dürfen, ist eine der sensibelsten ethischen und rechtlichen Fragen. Traditionell
beantworten wir diese mit der Unterscheidung, der Arzt dürfe das Leben des Men-
schen nicht aktiv beenden, ihn aber wohl passiv sterben lassen. Diese Differenzierung
enthält einen richtigen Gedanken, entspricht aber nicht mehr den heutigen Anfor-
derungen maschinengestützter Medizin. Wenn die Vitalfunktionen des Menschen
maschinell aufrechterhalten werden, macht es ethisch wohl kaum einen Unterschied,
ob der Arzt die Maschine aktiv abschaltet oder es — passiv — unterlässt, der Maschine
die lebenserhaltenden Substanzen zuzufuhren. Wir stehen erneut vor der Aufgabe,
SITZUNGEN
„Können wir die anstehenden technischen Probleme lösen“ und „Finden wir die
richtige Balance, um im Netz ein virtuelles Rechtssystem aufzubauen, welches ein
Zusammenleben in gegenseitigem Respekt, in Freiheit und Sicherheit garantiert?“
Öffentliche Gesamtsitzung an der Universität Ulm
am 14. Dezember 2013
ERÖFFNUNG DER SITZUNG DURCH DEN PRÄSIDENTEN
DER HEIDELBERGER AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN PAUL KIRCHHOF
Herr Präsident, lieber Herr Professor Ebeling, meine Damen und Herren,
ich freue mich, die Sitzung der Heidelberger Akademie der Wissenschaften zum
Thema „Ethische Fragen moderner Medizin“ hier in Ulm zu eröffnen. Es ist in der
Tat eine vorweihnachtliche Veranstaltung. Wir haben dieses schöne Haus über den
Weihnachtsmarkt betreten, nunmehr vorweihnachtliche Gaben über den
„Löwenmenschen“ empfangen, blicken mit großen Erwartungen und Hoffnungen
dem entgegen, was unsere Referenten uns gleich zu sagen haben. Ich darf Sie mit
wenigen Worten auf eine der Grundsatzfragen der Moderne einstimmen, der wir uns
heute widmen wollen. Dabei ist es der Akademie ein besonderes Anliegen, die stän-
dige kritische Begegnung zwischen Natur- und Geisteswissenschaften zu pflegen.
Am Beginn des menschlichen Lebens ist die Ethik gefordert, wenn wir einen
werdenden Menschen, ein Leben mit allen seinen identitätsbestimmenden Merk-
malen, schon im Reagenzglas herstellen können. Aber wann gilt hier der ver-
fassungsrechtliche Schutz für menschliches Leben? Inwieweit sind die Eltern ver-
pflichtet, dieses Leben als ihr Kind auszutragen und anzunehmen? Darf die Medizin
Mängel am Embryo korrigieren, gar „Idealtypen“ des wirtschaftlich tüchtigen,
sportlich leistungsfähigen, politisch friedlichen Menschen produzieren?
Am Ende des menschlichen Lebens stehen wir vor der Frage, wie lange wir das
menschliche Leben nach Kräften verlängern müssen, wann wir der Natur ihren Lauf
lassen dürfen. Das Anliegen des zum Tode bestimmten Menschen, in Würde sterben
zu dürfen, ist eine der sensibelsten ethischen und rechtlichen Fragen. Traditionell
beantworten wir diese mit der Unterscheidung, der Arzt dürfe das Leben des Men-
schen nicht aktiv beenden, ihn aber wohl passiv sterben lassen. Diese Differenzierung
enthält einen richtigen Gedanken, entspricht aber nicht mehr den heutigen Anfor-
derungen maschinengestützter Medizin. Wenn die Vitalfunktionen des Menschen
maschinell aufrechterhalten werden, macht es ethisch wohl kaum einen Unterschied,
ob der Arzt die Maschine aktiv abschaltet oder es — passiv — unterlässt, der Maschine
die lebenserhaltenden Substanzen zuzufuhren. Wir stehen erneut vor der Aufgabe,