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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2013 — 2014

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I. Das akademische Jahr 2013
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Wissenschaftliche Sitzungen
DOI Kapitel:
Öffentliche Gesamtsitzung an der Universität Ulm am 14. Dezember 2013
DOI Artikel:
Debatin, Klaus-Michael: Ethische Fragen der modernen Medizin
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https://doi.org/10.11588/diglit.55655#0096
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14. Dezember 2013

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Impulsreferat zu ethischen Fragen der modernen Medizin gewünscht wurde, kam
ich zunächst ins Grübeln. Meine Expertise auf diesem Gebiet steht sicher hinter der
von Herrn Schockenhoff und anderen prominenten Wissenschaftlern und Medizi-
nern zurück, die sich hauptberuflich mit Fragen der Ethik beschäftigen. Ich selbst
bin Arzt für Kinder- und Jugendmedizin und behandle vor allem Patienten mit
Tumor-, Leukämie-, Bluterkrankungen und schweren Defekten des Immunsystems.
Als Krebsforscher, aber auch als Wissenschaftsmanager, bin ich eher mit Fragen be-
fasst, wie wir den medizinischen Fortschritt voranbringen können. Diese Arbeiten
und auch meine klinische Tätigkeit sind also eher Gegenstand ethischer Fragen, als
dass ich Beobachter und Kommentator sein könnte. Allerdings kann man aus dieser
Sicht spezifische Aspekte darstellen, die für unsere Diskussion heute relevant sein
könnten. Bevor ich mit meinen inhaltlichen Ausführungen starte, möchte ich aller-
dings einen herzlichen Dank an Herrn Prof. Dr. Heiner Fangerau, Direktor unseres
Instituts für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin, richten, der mir wertvolle
Hinweise gab und spezielle Literatur zur Vorbereitung dieses Referats zur Verfügung
gestellt hat.
Für den Arzt, der gerade auch im Bereich der Universitätsmedizin häufig in
Grenzgebieten dessen, was medizinisch möglich ist, tätig ist, stellen sich ethische Fra-
gen eigentlich täglich. In der öffentlichen Wahrnehmung gibt es in jüngster Zeit
neben dem uns immer beschäftigenden Thema „Was ist Leben und wie berechtigt
sind wir, Leben im frühen Stadium zu beenden?“, also eine Abtreibung zuzulassen,
Themen wie Organtransplantationsskandal und Patientenrechte bzw. Patientenverfü-
gung. Ich werde in meinen Ausführungen diese Themengebiete streifen, mich
jedoch eher auf andere Aspekte konzentrieren.
1. Vom Anfang des Lebens: Embryonale Stammzellen, In-vitro-Fertilisierung, Gendiagnostik,
„Designerkinder“, Therapeutisches Klonen
Die Entdeckung der DNA-Struktur als Schlüssel zu den Bausteinen des Lebens
durch Watson und Crick 1953 ist mit Sicherheit eine der Meilensteine in der
Geschichte der Naturwissenschaften. Damals konnte sich wahrscheinlich kaum
jemand vorstellen, in welch kurzer Zeit sich daraus unmittelbare Konsequenzen
nicht nur für die Medizin, sondern für unser Verständnis von Leben und dessen
Beeinflussungsmöglichkeiten ergeben. Diese Entdeckung hat die Grundlage der
modernen Molekularbiologie gelegt, die uns ermöglicht, gezielt die genetische
Information zu untersuchen, ihre Veränderungen bei Krankheiten zu charakterisie-
ren und gegebenenfalls zu manipulieren. Nun ist die reine Aufreihung der DNA in
den Chromosomen, wie wir heute wissen, nicht der ganze Schlüssel zum Verständ-
nis, z. B. der Entwicklung eines Organismus, da es eine Vielzahl sogenannter „epi-
genetischer“ Regulationen gibt. Parallel zu der „DNA-Revolution“ der letzten Jahr-
zehnte hat sich die Zellbiologie mit der Identifizierung der Pluripotenz von Stamm-
zellen zu einem wichtigen Arsenal der modernen biomedizinischen Forschung
entwickelt, an die große Hoffnungen zur Behandlung vieler Krankheiten geknüpft
sind.
 
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