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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2013 — 2014

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I. Das akademische Jahr 2013
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Wissenschaftliche Sitzungen
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Veranstaltungen
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Mitarbeitervortragsreihe. „Wir forschen. Für Sie“
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Deutsch, Andreas: Henker als Heiler – Zum einträglichen Nebenerwerb eines grausamen Handwerks
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https://doi.org/10.11588/diglit.55655#0111
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VERANSTALTUNGEN

Während die Ärzte nämlich ihre anatomischen Kenntnisse über lange
Jahrhunderte nur aus Büchern hatten, gehörte Anatomiewissen aus praktischer
Anschauung zur Grundausbildung für jeden guten Scharfrichter; wie sonst hätte er
die unterschiedlichsten Körper- und Todesstrafen fachgerecht vollstrecken können?
Wie sonst hätte er die Tortur so anwenden können, dass sie zwar schmerzte und zum
grausigen „Erfolg“ (also dem Geständnis) führte, dem Gefolterten aber dennoch
keine bleibenden Schäden verblieben und er möglichst tags darauf wieder prozess-
fähig war? Da es zudem nicht die Ärzte waren, die einen Gefolterten nach ausge-
standener Tortur behandelten, sondern diese oft schwierige Aufgabe alleine dem
Scharfrichter oblag, verwundert kaum, dass die Henker Verrenkungen, Sehnenrisse,
Knochenbrüche und ähnliche Gebrechen oftmals geschickt zu behandeln wussten.
Vielerorts wurde den Scharfrichtern zudem auferlegt, die durch Körperstrafen ver-
ursachten Wunden und Verletzungen zu heilen. Sie mussten also beispielsweise dafür
sorgen, dass am Arm eines Delinquenten, dem die Hand abgehackt wurde, kein
Wundbrand entstand. Die hierfür erforderlichen Wund- und Heilsalben stellten die
Scharfrichter oft selber her. Die Rezepte wurden von Scharfrichtergeneration zu
Scharfrichtergeneration weitergegeben. Daneben hatten einzelne Henker sogar eine
kleine medizinische Bibliothek. Manch ein Scharfrichter schickte seine Söhne (und
manchmal auch Töchter) zur medizinischen Ausbildung in die Fremde — allerdings
nicht etwa zu einem Arzt oder Wundarzt, sondern in der Regel zu einem in der
Heilkunde besonders befähigten Berufsgenossen. Wenn der Heidelberger Scharf-
richter Johann Michael Widmann seinen ältesten Sohn Johann Georg Michael zum
Medizinstudium an die Universität schickte, war dies selbst in der zweiten Hälfte des
18. Jahrhunderts noch mutig und ungewöhnlich. Der junge Widmann allerdings
wurde recht kurz vor seinem Abschluss wegen einer Degenstecherei mit einem
Heidelberger Seiler als „unwürdig“ von der Fakultät gewiesen, weshalb er später
Nachfolger seines Vaters als Scharfrichter wurde.
Gar nicht selten brachte auch — oder ausschließlich — die Frau des Henkers das
heilkundliche Wissen mit in die Ehe und führte dann zusammen mit diesem oder
bisweilen auch alleine die „Praxis”. So hatte Maria Barbara Näher aus Ulm, eine ent-
fernte Tante des letzten Heidelberger Scharfrichters Widmann, bei ihrem Stiefvater,
dem Neckarbischofsheimer Scharfrichter Georg Bader „eine schöne wißenschafft in
der arzneykunst“ erworben, wodurch sie dann als Scharfrichtersfrau „allerley weib-
liche Verarztungen“ vorzunehmen wusste. Als Heilerin von Frauenkrankheiten dürf-
ten die Scharfrichtersfranen den durchweg männlichen Ärzten und Wundärzten
deutlich überlegen gewesen sein.
Viele Scharfrichterinnen und Scharfrichter erfreuten sich eines solch großen
Zulaufs als Heiler, dass die Ärzte und Wundärzte um ihre Kundschaft bangten, wes-
halb landauf, landab ein erbitterter Konkurrenzkampf begann. Die gut situierten
Ärzte und Wundärzte hatten hierbei fast allerorten bessere Karten. In Mannheim
etwa konnten sie bereits 1674 gegen den gerade frisch berufenen Scharfrichter Hans
Peter Stumpf ein obrigkeitliches Verbot aller Heiltätigkeit und Wunderkuren erwir-
ken. Und in Landau nutzten die „Chirurgi“ (also die unstudierten Wundärzte) 1691
die noch ungefestigte Position des neu eingesetzten Nachrichters Johann Dieter
 
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