III. Veranstaltungen
das Gegebene. In dieser Win-win-Situation, menschliche Kreativität verbunden
mit schnellem Rechnen, werden Dinge möglich, die wir früher nicht für möglich
gehalten hätten. Wir nehmen unserem Alltagsleben freilich auch Beschaulichkeit
durch eine ungeheure Beschleunigung aller Abläufe, gerade auch im wissenschaft-
lichen Leben.
Wolfgang Raible
„Große Geschichte und kleines Leben.
Wie Menschen in historischen Quellen zu Wort kommen"
Akademievorlesung von Prof. Dr. Arnold Esch am 18. November 2014
Der Vortrag geht von der Beobachtung aus,
dass gewöhnliche Menschen es schwer ha-
ben, in historische Quellen hinein- und
dort auch noch zu Worte zu kommen. Wa-
rum das so ist: dieser Frage kann man sich
offensichtlich aus ganz unterschiedlichen
Motiven nähern und dann auch zu unter-
schiedlichen Antworten finden. Bekannt
sind Bertolt Brechts „Fragen eines lesenden
Arbeiters“, der sich darüber wundert, dass er
zwar von Caesar und seiner Eroberung Gal-
liens erfahre, aber nichts über Caesars Koch;
dass er zwar von den Tränen erfahre, die Kö-
nig Philipp II. von Spanien über den Unter-
gang seiner Armada vergossen habe, nichts
aber von den Tränen der Anderen. Treffende
Fragen, aus denen der Leser heraushört, he-
raushören soll, dass es wohl die Bosheit der
herrschenden Klasse gewesen sei, die jene Menschen nicht habe zu Wort kommen
lassen. Oder man fühlt sich, auch ohne ideologischen Affekt, von dieser Thema-
tik angezogen aus sozialem Engagement: sich denen zuzuwenden, die Geschichte
mehr erlitten als gestaltet haben, und auch auf die leisen Stimmen zu hören.
Das ist ein legitimes und ehrenwertes Motiv. Aber es ist nicht das meine. Ich
will einfach wissen, wie der Historiker mit dieser ungleichmäßigen, asymmetri-
schen Überlieferung methodisch umzugehen habe; und ob es ihm nicht gelingen
könnte, noch weitere dieser Menschen zum Sprechen zu bringen.
Dass solche Ausweitung wünschenswert sei, wird im Prinzip wohl von nie-
mandem bestritten, und ist auch schon oft geleistet worden. Nicht nur Könige
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das Gegebene. In dieser Win-win-Situation, menschliche Kreativität verbunden
mit schnellem Rechnen, werden Dinge möglich, die wir früher nicht für möglich
gehalten hätten. Wir nehmen unserem Alltagsleben freilich auch Beschaulichkeit
durch eine ungeheure Beschleunigung aller Abläufe, gerade auch im wissenschaft-
lichen Leben.
Wolfgang Raible
„Große Geschichte und kleines Leben.
Wie Menschen in historischen Quellen zu Wort kommen"
Akademievorlesung von Prof. Dr. Arnold Esch am 18. November 2014
Der Vortrag geht von der Beobachtung aus,
dass gewöhnliche Menschen es schwer ha-
ben, in historische Quellen hinein- und
dort auch noch zu Worte zu kommen. Wa-
rum das so ist: dieser Frage kann man sich
offensichtlich aus ganz unterschiedlichen
Motiven nähern und dann auch zu unter-
schiedlichen Antworten finden. Bekannt
sind Bertolt Brechts „Fragen eines lesenden
Arbeiters“, der sich darüber wundert, dass er
zwar von Caesar und seiner Eroberung Gal-
liens erfahre, aber nichts über Caesars Koch;
dass er zwar von den Tränen erfahre, die Kö-
nig Philipp II. von Spanien über den Unter-
gang seiner Armada vergossen habe, nichts
aber von den Tränen der Anderen. Treffende
Fragen, aus denen der Leser heraushört, he-
raushören soll, dass es wohl die Bosheit der
herrschenden Klasse gewesen sei, die jene Menschen nicht habe zu Wort kommen
lassen. Oder man fühlt sich, auch ohne ideologischen Affekt, von dieser Thema-
tik angezogen aus sozialem Engagement: sich denen zuzuwenden, die Geschichte
mehr erlitten als gestaltet haben, und auch auf die leisen Stimmen zu hören.
Das ist ein legitimes und ehrenwertes Motiv. Aber es ist nicht das meine. Ich
will einfach wissen, wie der Historiker mit dieser ungleichmäßigen, asymmetri-
schen Überlieferung methodisch umzugehen habe; und ob es ihm nicht gelingen
könnte, noch weitere dieser Menschen zum Sprechen zu bringen.
Dass solche Ausweitung wünschenswert sei, wird im Prinzip wohl von nie-
mandem bestritten, und ist auch schon oft geleistet worden. Nicht nur Könige
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