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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2014 — 2015

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C. Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses
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II. Das WIN-Kolleg
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Sechster Forschungsschwerpunkt „Messen und Verstehen der Welt durch die Wissenschaft“
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15. Zählen und Erzählen – Spielräume und Korrelationen quantitativer und qualitativer Welterschließung
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https://doi.org/10.11588/diglit.55654#0296
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C. Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses

lyse schließen nun auch Interaktionen mit Akteursattributen, Verhaltensweisen,
Kultur und historischen Ereignissen ein. Dabei minimiert der systematische Zu-
griff nicht nur die Gefahr der Beeinflussung durch Vorannahmen in den Quel-
len oder tradierte Interpretationen im Forschungsdiskurs. Die softwaregestützte
Netzwerkanalyse lässt auch die Verarbeitung enormer Datenmengen bei gleich-
zeitiger Reduktion von Komplexität zu und ermöglicht somit deren Interpretation
und die Bestimmung signifikanter Muster. Arbeitet man mit Zeitschnitten kön-
nen Hinweise auf strukturelle Veränderungen der dynamisch aufgefassten sozialen
Netzwerke sichtbar werden, wie bspw Isolation und Integration von Akteuren
oder Zusammenwachsen oder Zerfall eines Beziehungsgeflechts.6
Das Tübinger Habilitationsprojekt Geschichte (er)zählen geht den Möglichkei-
ten und Grenzen der netzwerkanalytischen Methodik exemplarisch anhand der
Erarbeitung von Genese, Gehalt und Wirken der theologischen und kirchenpoli-
tischen Positionen Anselms von Canterbury im englischen Investiturkonflikt von
1093-1107 nach. Seit langem wird in der deutsch-, vor allem aber der englisch-
sprachigen Forschung ein heftiger Diskurs um das kirchenpolitische Wirken An-
selms und den Verlauf der (noch untererforschten) Investiturkonflikte Englands
geführt. Einerseits inszeniert man den Theologen heldenhaft überhöht als kir-
chenpolitisch brillant und dem König überlegen7. Andererseits wird dem Primas
der englischen Kirche Desinteresse und Unfähigkeit bezüglich kirchenpolitischer
Belange und daran gebundener theologischer Fragen attestiert8. Das Grundprob-
lem dieser Forschungsdiskussion liegt in der weitgehenden Betrachtung Anselms
als historische Einzelperson. An dieser Stelle muss der methodische Zugriff der-
gestalt geändert werden, dass Anselm als Teil (s)eines Geflechts sozialer Bindun-
gen erfahrbar wird, die für ihn gleichermaßen Einflusssphäre wie auch werte- und
handlungsbestimmende Orientierungshilfe waren. Die Übertragung von „Wis-

6 Preiser-Kapeller, Johannes: Letters and Network Analysis. www.academia.edu/4045334/Letters_
and_Network_Analysis (Juli 2013), S. 1-5. - Düring, Marten/Keyserlingk, Linda v.: Netzwerk-
analyse in den Geschichtswissenschaften. Historische Netzwerkanalyse als Methode für die
Erforschung historischer Prozesse. www.academia.edu/449150/Netzwerkanalyse_in_den_Ge-
schichtswissenschaften._Historische_Netzwerkanalyse_als_Methode_fur_die_Erforschung_
von_historischen_Prozessen (Mai 2013), S. 2. - Gramsch, Robert: Das Reich als Netzwerk
der Fürsten: politische Strukturen unter dem Doppelkönigtum Friedrichs II. und Heinrichs
(VII.) 1225-1235. Ostfildern 2013. - Lemercier, Claire: Formale Methoden der Netzwerkana-
lyse in den Geschichtswissenschaften: Warum und Wie? In: Österreichische Zeitschrift für
Geschichtswissenschaften 23/1 (2012), S. 30-36.
7 Vgl. Vaughn, Sally N.: Anselm of Bec and Robert of Meulan. The Innocence ofthe Dove and
the Wisdom ofthe Serpent. Berkeley 1987, S. 132-140. - Krüger, Thomas: Persönlichkeitsaus-
druck und Persönlichkeitswahrnehmung im Zeitalter der Investiturkonflikte. Studien zu den
Briefsammlungen des Anselms von Canterbury. Hildesheim 2002, S. 71 - 82.
8 Vgl. Hollister, Warren: St. Anselm on Lay Investiture. In: Anglo-Norman Studies 10 (1987),
S. 150-156. - Southern, Richard: Saint Anselm. A Portrait in a Landscape. Cambridge 1990,
S. 458-481, 232/233.

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