15. Zählen und Erzählen (WIN-Programm)
tiven und qualitativen literaturwissenschaftlichen Zugänge im Zusammenhang?
Welche methodischen Spielräume und Korrelationen ergeben sich dabei für das
Verstehen literarisch-narrativer Welterschließung und wie wirkt sich deren jewei-
lige Erkenntnisleistung letztlich auch auf unser eigenes Weltbild aus?
II. Geschichte (er)zählen. Historische Netzwerkanalysen (Pacyna)
Geschichte(n) „erzählen“ anhand tradierter Texte und Artefakte, die quellenkritisch
eingeordnet und inhaltsanalytisch aufgearbeitet werden - dies beschreibt in Kürze
das genuin methodologische Selbstverständnis der Geschichtswissenschaft. Dem
Vorwurf des Konstruierens von Geschichte aufgrund einer lückenhaften Quellen-
überlieferung und der Subjektivierung von Quelleninhalten im Zuge ihrer Inter-
pretation versuchte man mit diversen Verfeinerungen der Methodik bspw über die
kontextuelle Einordnung von Informationen zu begegnen. Mit einer Vielzahl von
Disziplinen hat man kooperiert, um Theorien und Methoden zu entwickeln, die
die Geschichtswissenschaft näher an das Ideal des „Objektiven“ heranführt. Unter
anderem experimentieren Geschichtswissenschaftler heute mit Formen der Quel-
lenbearbeitung, die im „Zählen“ von Quelleninhalten einen Abstraktionsprozess
implizieren, der als Chance aber auch als Gefahr begriffen wird.
In der sog. „Historischen Netzwerkanalyse“ verschränken sich quantitative
und qualitative Methoden in ganz besonderer Weise. Netzwerkforscher erheben
nicht etwa den Anspruch, mit Hilfe der Netzwerkanalyse eine irgendwie geartete
Realität abzubilden, sondern ausreichend Daten zu sammeln, systematisieren und
analysieren, um generelle Muster und Entwicklungstendenzen zu erkennen, an-
hand derer Zustandekommen, Funktionsweise, Veränderung und Bedeutung von
Netzwerkbeziehungen (in Bezug auf Handeln, Wort, Werte) sowie die Positionie-
rung der Akteure darin, studiert werden können. Dabei stützen sie sich eben nicht
nur auf quantitative Zugänge, sondern greifen sowohl im Prozess der Datener-
hebung als auch bei Auswertung der Graphen und numerischen Indikatoren auf
qualitative Methoden zurück.
Forderungen nach einer systematischen Bearbeitung von interpersonalen
oder auch anders gearteten Beziehungsgeflechten - wie Begriffs-, Zitations-,
Text-, Organisations- und Warennetzwerken - anhand historischen Quellenmate-
rials sind in der Forschungsliteratur der letzten Jahre mehrfach formuliert worden.
Frühen Netzwerkanalysen (1980er Jahren), die mit historischen Quellen arbeite-
ten, wurde noch berechtigterweise vorgeworfen, jegliches Ereignis auf Strukturen
zurückzuführen und damit die Handlungsfähigkeit der Akteure sowie kulturelle
Normen völlig zu ignorieren. Netzwerkmodelle wurden als lediglich graphische
Darstellungen von Beziehungen, die man aus Kontext und Zeit gerissen hatte, pro-
blematisiert. Doch sowohl Software als auch Netzwerktheorien wurden seitdem
erheblich weiterentwickelt; Datenerhebung, Matrizenbestückung und Datenana-
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tiven und qualitativen literaturwissenschaftlichen Zugänge im Zusammenhang?
Welche methodischen Spielräume und Korrelationen ergeben sich dabei für das
Verstehen literarisch-narrativer Welterschließung und wie wirkt sich deren jewei-
lige Erkenntnisleistung letztlich auch auf unser eigenes Weltbild aus?
II. Geschichte (er)zählen. Historische Netzwerkanalysen (Pacyna)
Geschichte(n) „erzählen“ anhand tradierter Texte und Artefakte, die quellenkritisch
eingeordnet und inhaltsanalytisch aufgearbeitet werden - dies beschreibt in Kürze
das genuin methodologische Selbstverständnis der Geschichtswissenschaft. Dem
Vorwurf des Konstruierens von Geschichte aufgrund einer lückenhaften Quellen-
überlieferung und der Subjektivierung von Quelleninhalten im Zuge ihrer Inter-
pretation versuchte man mit diversen Verfeinerungen der Methodik bspw über die
kontextuelle Einordnung von Informationen zu begegnen. Mit einer Vielzahl von
Disziplinen hat man kooperiert, um Theorien und Methoden zu entwickeln, die
die Geschichtswissenschaft näher an das Ideal des „Objektiven“ heranführt. Unter
anderem experimentieren Geschichtswissenschaftler heute mit Formen der Quel-
lenbearbeitung, die im „Zählen“ von Quelleninhalten einen Abstraktionsprozess
implizieren, der als Chance aber auch als Gefahr begriffen wird.
In der sog. „Historischen Netzwerkanalyse“ verschränken sich quantitative
und qualitative Methoden in ganz besonderer Weise. Netzwerkforscher erheben
nicht etwa den Anspruch, mit Hilfe der Netzwerkanalyse eine irgendwie geartete
Realität abzubilden, sondern ausreichend Daten zu sammeln, systematisieren und
analysieren, um generelle Muster und Entwicklungstendenzen zu erkennen, an-
hand derer Zustandekommen, Funktionsweise, Veränderung und Bedeutung von
Netzwerkbeziehungen (in Bezug auf Handeln, Wort, Werte) sowie die Positionie-
rung der Akteure darin, studiert werden können. Dabei stützen sie sich eben nicht
nur auf quantitative Zugänge, sondern greifen sowohl im Prozess der Datener-
hebung als auch bei Auswertung der Graphen und numerischen Indikatoren auf
qualitative Methoden zurück.
Forderungen nach einer systematischen Bearbeitung von interpersonalen
oder auch anders gearteten Beziehungsgeflechten - wie Begriffs-, Zitations-,
Text-, Organisations- und Warennetzwerken - anhand historischen Quellenmate-
rials sind in der Forschungsliteratur der letzten Jahre mehrfach formuliert worden.
Frühen Netzwerkanalysen (1980er Jahren), die mit historischen Quellen arbeite-
ten, wurde noch berechtigterweise vorgeworfen, jegliches Ereignis auf Strukturen
zurückzuführen und damit die Handlungsfähigkeit der Akteure sowie kulturelle
Normen völlig zu ignorieren. Netzwerkmodelle wurden als lediglich graphische
Darstellungen von Beziehungen, die man aus Kontext und Zeit gerissen hatte, pro-
blematisiert. Doch sowohl Software als auch Netzwerktheorien wurden seitdem
erheblich weiterentwickelt; Datenerhebung, Matrizenbestückung und Datenana-
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