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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2014 — 2015

DOI Kapitel:
A. Das akademische Jahr 2014
DOI Kapitel:
II. Wissenschaftliche Vorträge
DOI Artikel:
Gade, Lutz H.: Das Phänomen der Händigkeit (Chiralität): Seine Bedeutung für die Strukturbildung und Wechselwirkung auf molekularer Ebene – eine Herausforderung für die Molekulare Katalyse: Sitzung der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse am 18. Juli 2014
DOI Artikel:
Kemmerling, Andreas: Menschliches Glauben und unser Begriff von ihm: Sitzung der Philosophisch-historischen Klasse am 24. Oktober 2014
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https://doi.org/10.11588/diglit.55654#0063
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Andreas Kemmerling

Katalysatoren werden bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts gezielt verwendet, die
Entwicklung kleiner chiraler katalytisch aktiver Moleküle beginnt hingegen vor
weniger als einem halben Jahrhundert. In den 1970er Jahren wird ein erster in-
dustrieller Prozess nach diesem Muster entwickelt (L-DOPA) und seit den 1990er
Jahren hat sich die Forschungsentwicklung auf diesem Gebiet beschleunigt. Von
besonderem Interesse ist es, zu verstehen, wie solche Katalysatoren funktionieren,
d. h. auf welcher Stufe der (zyklischen) Kaskade chemischer Elementarreaktionen
die Selektion zwischen den beiden chiralen Alternativen stattfindet. Dies ist bei-
leibe kein einfaches Schlüssel-Schloss-Problem, sondern wird durch komplexe
Reaktionsnetzwerke bestimmt, deren Verständnis für die meisten katalytischen
Reaktionen - wenn überhaupt - höchst unvollständig ist.
Andreas Kemmerling
„Menschliches Glauben und unser Begriff von ihm"
Sitzung der Philosophisch-historischen Klasse am 24. Oktober 2014
Es geht mir um Glauben im allgemeinsten Sinn (<5ö^a, opinio oder belief), nicht
um Sonderformen des „gläubigen“ Glaubens fr icmq, fides oderfaith). Im Fachjar-
gon spricht man von propositionalem Glauben. Das allgemeine Grundschema ist:
„Das Subjekt S glaubt, dass p“, wobei die sog. Proposition („p“), ein beliebiger
Inhalt ist, der wahr oder falsch ist. Glauben in diesem weiten Sinn steht nicht im
Gegensatz zum Wissen. Im Gegenteil, zum Wissen gehört auch Glauben: Wer et-
was nicht einmal glaubt, kann es auch nicht wissen.
Bis vor etwa hundert Jahren wurde das propositionale Glauben in der Phi-
losophie nur selten thematisiert. Heute ist es Gegenstand zahlloser spezialisier-
ter Forschungen in vielen Subdisziplinen der Theoretischen Philosophie: in der
Metaphysik, Ontologie, Erkenntnistheorie, Philosophie des Geistes, Sprachphilo-
sophie, Rationalitätstheorie, in der sog. doxastischen Logik und in wahrscheinlich-
keitstheoretischen Theorien der sog. Belief Dynamics.
Weshalb wird dem Glauben und unserm Begriff von ihm neuerdings eine so
große philosophische Bedeutsamkeit beigemessen? Hier einige Gründe. Erstens,
das Glauben durchzieht weite Bereiche der menschlichen Geistigkeit. Wahrneh-
mung, Gedächtnis, Wollen, Planung, Absicht und Entscheidung stehen in innigs-
ter Verbindung mit ihm. Zweitens, es gehört zu jederlei Art minimal-rationaler
Geistigkeit. Denken ohne Glauben kann es nicht geben. „Gedankliche“ Prozesse,
in denen kein Unterschied bestünde zwischen solchen Gedanken, die für wahr
gehalten werden, und allen andern Gedanken, wären richtungslose Abfolgen, nur
eine Parodie menschlichen Denkens. Andererseits kann Glauben fast beliebig irra-
tional sein: ganz ohne Gründe und sogar wider gute Gründe. Drittens, Glauben ist

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