Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2014
— 2015
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https://doi.org/10.11588/diglit.55654#0335
DOI Kapitel:
D. Antrittsreden, Nachrufe, Organe, Mitglieder
DOI Kapitel:I. Antrittsreden
DOI Artikel:Schwinn, Thomas: Thomas Schwinn: Antrittsrede vom 25. Oktober 2014
DOI Seite / Zitierlink:https://doi.org/10.11588/diglit.55654#0335
- Schmutztitel
- Titelblatt
- Geleitwort
- 7-12 Inhaltsverzeichnis
- 13-128 A. Das akademische Jahr 2014
-
129-228
B. Die Forschungsvorhaben
- 129-130 I. Forschungsvorhaben und Arbeitsstellenleiter
-
131-225
II. Tätigkeitsberichte
- 131-132 1. Goethe-Wörterbuch (Tübingen)
- 133-141 2. The Role of Culture in Early Expansions of Humans (Frankfurt und Tübingen)
- 141-145 3. Historische und rezente Hochwasserkonflikte an Rhein, Elbe und Donau im Spannungsfeld von Naturwissenschaft, Technik und Sozialökologie (Stuttgart)
- 145-148 4. Deutsche Inschriften des Mittelalters
- 149-151 5. Wörterbuch der altgaskognischen Urkundensprache/Dictionnaire onomasiologique de l’ancien gascon (DAG)
- 151-156 6. Deutsches Rechtswörterbuch
- 156-158 7. Martin Bucers Deutsche Schriften
- 158-162 8. Melanchthon-Briefwechsel
- 162-167 9. Dictionnaire étymologique de l’ancien français (DEAF)/Altfranzösisches etymologisches Wörterbuch
- 167-171 10. Epigraphische Datenbank Heidelberg (EDH)
- 172-175 11. Evangelische Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts
- 175-181 12. Edition literarischer Keilschrifttexte aus Assur
- 181-187 13. Buddhistische Steininschriften in Nordchina
- 187-192 14. Geschichte der südwestdeutschen Hofmusik im 18. Jahrhundert
- 193-196 15. Nietzsche-Kommentar (Freiburg)
- 196-199 16. Klöster im Hochmittelalter: Innovationslabore europäischer Lebensentwürfe und Ordnungsmodelle
- 200-207 17. Der Tempel als Kanon der religiösen Literatur Ägyptens (Tübingen)
- 207-210 18. Kommentierung der Fragmente der griechischen Komödie (Freiburg)
- 210-216 19. Kommentierung und Gesamtedition der Werke von Karl Jaspers sowie Edition der Briefe und des Nachlasses in Auswahl
- 216-219 20. Historisch-philologischer Kommentar zur Chronik des Johannes Malalas (Tübingen)
- 219-225 21. Religions- und rechtsgeschichtliche Quellen des vormodernen Nepal
- 226-228 III. Archivierung der Materialien abgeschlossener Forschungsvorhaben
-
229-309
C. Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses
- 229-233 I. Die Preisträger
-
234-302
II. Das WIN-Kolleg
- 234-235 Aufgaben und Ziele
- 236-238 Verzeichnis der WIN-Kollegiaten
- 239 Fünfter Forschungsschwerpunkt „Neue Wege der Verflechtung von Natur‑ und Geisteswissenschaften“
-
251
Sechster Forschungsschwerpunkt „Messen und Verstehen der Welt durch die Wissenschaft“
- 251 3. Analyzing, Measuring and Forecasting Financial Risks by means of High-Frequency Data
- 252-257 4. Das menschliche Spiegelneuronensystem: Wie erfassen wir, was wir nicht messen können?
- 257-259 5. Geld, Gunst und Gnade. Die Monetarisierung der Politik im 12. und 13. Jahrhundert
- 259-264 6. Neogeographie einer Digitalen Erde: Geo-Informatik als methodische Brücke in der interdisziplinären Naturgefahrenanalyse (NEOHAZ)
- 264-267 7. Quantifizierung und Operationalisierung der Verhältnismäßigkeit von internationalen und interlokalen Sanktionen
- 267-269 8. Selbstregulierung in den Naturwissenschaften
- 270-275 9. Texte messen – Messungen interpretieren. Altertumswissenschaften und Digital Humanities als zukunftsträchtige Symbiose
- 275-278 10. Vom corpus iuris zu den corpora iurum. Konzeption und Erschließung eines juristischen Referenzkorpus (JuReko)
- 278-281 11. Die Vermessung der Welt: Religiöse Deutung und empirische Quantifizierung im mittelalterlichen Europa
- 281-284 12. Wissen(schaft), Zahl und Macht
- 284-290 13. Thermischer Komfort und Schmerz: Verstehen von menschlicher Adaption an Störfaktoren durch die Kombination psychologischer, physikalischer und physiologischer Messungen und Messmethoden
- 291-293 14. Charakterisierung von durchströmten Gefäßen und der Hämodynamik mittels modell- und simulationsbasierter Fluss-MRI (CFD-MRI)
- 294-299 15. Zählen und Erzählen – Spielräume und Korrelationen quantitativer und qualitativer Welterschließung
- 300-302 16. Metaphern und Modelle. Zur Übersetzung von Wissen in Verstehen
- 303-309 III. Akademiekonferenzen
- 311-368 D. Antrittsreden, Nachrufe, Organe, Mitglieder
- 401-406 E. Anhang
- 407-415 Personenregister
Antrittsrede von Thomas Schwinn
Thomas Schwinn
Antrittsrede vom 25. Oktober 2014
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr verehrte Damen und Herren,
über die Aufnahme in die Heidelberger Akademie
der Wissenschaften habe ich mich sehr gefreut. Das
ist eine große Ehre, und für das in mich gesetzte
Vertrauen bedanke ich mich ganz besonders bei den
Mitgliedern.
Den eigenen wissenschaftlichen Werdegang
biographisch zu reflektieren, ist ein ungewohntes
Unterfangen. Die Antriebe und Motive sind einem
selbst ja nie gänzlich präsent und durchsichtig, und
ein Lebenslauf weist immer ein mehr oder weniger
großes Maß an nicht intendiertem Ablauf, an Zufällen und Kontingenzen auf.
Nun gibt es allerdings in meinem Fach, der Soziologie, durchaus mehrere Beispie-
le für z. T. sehr umfangreiche wissenschaftliche Autobiographien, keine allerdings
in der jüngeren Forschergeneration - mir ist keine bekannt. Typisch sind sie für
jene Generation, die durch den Nationalsozialismus geprägt wurden. Die gesell-
schaftlichen Brüche und Katastrophen wurden als biographisch außerordentlich
einschneidende Ereignisse reflektiert und daraus die Motive für die eigenen wis-
senschaftlichen Anstrengungen entfaltet. Das hat eine hohe Plausibilität.
Als Angehöriger der sogenannten Baby-Boomer-Kohorten könnte der Kon-
trast zu den vorangehenden Generationen nicht größer sein. Gesellschaftliche
Brüche, wie die NS-Zeit, die biographisch verarbeitet werden mussten, gibt es in
meinem Lebenslauf nicht. Aufgewachsen unter historisch einmaligen, kontinuier-
lich stabilen politisch-demokratischen Verhältnissen, wirtschaftlichem Wohlstand,
Bildungsexpansion und wohlfahrtsstaatlichen Absicherungen ist keine unmittel-
bare Notwendigkeit erkennbar, über die gesellschaftlichen Bedingungen des eige-
nen Lebens nachzudenken.
Wie kommt man dann aber doch zur Soziologie? Schaut man in die Biographi-
en der älteren Generationen von Sozialwissenschaftlern, so fällt eine gemeinsame
wiederkehrende Wort- und Begriffswahl auf. Es ist vom Leben im Widerspruch,
Krisen der Zugehörigkeit, Generationskonflikten die Rede. Reinhard Bendix, der
vor den Nazis in die USA emigrieren musste, spricht davon, dass er nirgends mehr
ganz zu Hause sein konnte. Nun will ich mein doch relativ undramatisches Leben
nicht mit dem der Migranten gleichsetzen, aber die Wortwahl spricht mich un-
mittelbar an, trifft ein Gefühl, dass auch für meinen Weg in die Wissenschaft nicht
unwichtig war. Der Eindruck, keine volle Zugehörigkeit zu erfahren und empfin-
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Thomas Schwinn
Antrittsrede vom 25. Oktober 2014
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr verehrte Damen und Herren,
über die Aufnahme in die Heidelberger Akademie
der Wissenschaften habe ich mich sehr gefreut. Das
ist eine große Ehre, und für das in mich gesetzte
Vertrauen bedanke ich mich ganz besonders bei den
Mitgliedern.
Den eigenen wissenschaftlichen Werdegang
biographisch zu reflektieren, ist ein ungewohntes
Unterfangen. Die Antriebe und Motive sind einem
selbst ja nie gänzlich präsent und durchsichtig, und
ein Lebenslauf weist immer ein mehr oder weniger
großes Maß an nicht intendiertem Ablauf, an Zufällen und Kontingenzen auf.
Nun gibt es allerdings in meinem Fach, der Soziologie, durchaus mehrere Beispie-
le für z. T. sehr umfangreiche wissenschaftliche Autobiographien, keine allerdings
in der jüngeren Forschergeneration - mir ist keine bekannt. Typisch sind sie für
jene Generation, die durch den Nationalsozialismus geprägt wurden. Die gesell-
schaftlichen Brüche und Katastrophen wurden als biographisch außerordentlich
einschneidende Ereignisse reflektiert und daraus die Motive für die eigenen wis-
senschaftlichen Anstrengungen entfaltet. Das hat eine hohe Plausibilität.
Als Angehöriger der sogenannten Baby-Boomer-Kohorten könnte der Kon-
trast zu den vorangehenden Generationen nicht größer sein. Gesellschaftliche
Brüche, wie die NS-Zeit, die biographisch verarbeitet werden mussten, gibt es in
meinem Lebenslauf nicht. Aufgewachsen unter historisch einmaligen, kontinuier-
lich stabilen politisch-demokratischen Verhältnissen, wirtschaftlichem Wohlstand,
Bildungsexpansion und wohlfahrtsstaatlichen Absicherungen ist keine unmittel-
bare Notwendigkeit erkennbar, über die gesellschaftlichen Bedingungen des eige-
nen Lebens nachzudenken.
Wie kommt man dann aber doch zur Soziologie? Schaut man in die Biographi-
en der älteren Generationen von Sozialwissenschaftlern, so fällt eine gemeinsame
wiederkehrende Wort- und Begriffswahl auf. Es ist vom Leben im Widerspruch,
Krisen der Zugehörigkeit, Generationskonflikten die Rede. Reinhard Bendix, der
vor den Nazis in die USA emigrieren musste, spricht davon, dass er nirgends mehr
ganz zu Hause sein konnte. Nun will ich mein doch relativ undramatisches Leben
nicht mit dem der Migranten gleichsetzen, aber die Wortwahl spricht mich un-
mittelbar an, trifft ein Gefühl, dass auch für meinen Weg in die Wissenschaft nicht
unwichtig war. Der Eindruck, keine volle Zugehörigkeit zu erfahren und empfin-
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