C. Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses
linguistik bereichern. Zweitens soll das Projekt Aufschluss darüber geben, inwie-
fern korpuslinguistische Methoden etwa als „Werkzeugkoffer für Juristen“ zur
Analyse von Rechtssemantik gewinnbringend eingesetzt und systematisch in die
juristische Methodenlehre integriert werden können. Mit der Verbindung von
quantitativ-statistischer Datenempirie und qualitativ-hermeneutischer Deutungs-
arbeit erwarten die Kollegiaten auch, die Kluft zwischen quantitativen und quali-
tativen Forschungsmethoden - und damit die vielbeschworene Dichotomie von
Messen und Verstehen - ein Stück weit zu überbrücken. Drittens versprechen die
projektierten Pilotstudien auch neue, statistisch fundierte Einsichten in die Struk-
tur des „Textsystems“ Recht, insbesondere mit Blick auf die Bildung von Mehr-
heits- oder Minderheitsmeinungen in juristischen Diskursen.
Publikationen im Berichtszeitraum
Hamann, Hanjo: Die Fußnote, das unbekannte Wesen. Potential und Grenzen juristischer
Zitationsanalyse, Rechtswissenschaft Bd. 5 (2014), S. 501 ff
Vogel, Friedemann und Ralph Christensen: Die Sprache des Gesetzes ist nicht Eigentum der
Juristen. Von der Prinzipienspekulation zur empirischen Analyse der Abwägung. S. 87 ff.
in: Müller/Mastronardi (Hrsg.), „Abwägung“. Herausforderung für eine Theorie der
Praxis, Berlin 2014.
7 7. Die Vermessung der Welt: Religiöse Deutung und empirische
Quantifizierung im mittelalterlichen Europa
Kollegiat: Dr. Christoph Mauntel1
Mitarbeiterin: Carolin Wöhrle
1 Exzellenzcluster „Asien und Europa im globalen Kontext“, Universität Heidelberg
Mit einer wissenschaftlichen Berechnung kam Kardinal Heinrich von Segusio
Mitte des 13. Jahrhunderts zu folgendem Ergebnis: Die Sonne sei 6644mal größer
als der Mond.
Das biblische Gleichnis von Sonne und Mond als „zwei Lichter der Welt“
(Gen 1,16) wurde schon seit dem Frühmittelalter metaphorisch auf die Rivalität
zwischen Papst und Kaiser übertragen. Deren Streit um den Vorrang in der Chris-
tenheit ist eine der prägenden Grundstrukturen der mittelalterlichen Geschichte.
Die Sonne wurde mit dem Papst identifiziert: sie leuchte von sich aus, sei größer
und heller als der Mond, weswegen dem Papst die höhere Würde zukomme. Die-
se Metapher wurde durch die Jahrhunderte hindurch wiederholt als politisches
Argument genutzt. Heinrich von Segusio wollte nun das Gleichnis auf eine als
sicher eingeschätzte astronomische Grundlage stellen: Mit explizitem Rückgriff
auf die Autorität des antiken Gelehrten Claudius Ptolomäus berechnete Heinrich
278
linguistik bereichern. Zweitens soll das Projekt Aufschluss darüber geben, inwie-
fern korpuslinguistische Methoden etwa als „Werkzeugkoffer für Juristen“ zur
Analyse von Rechtssemantik gewinnbringend eingesetzt und systematisch in die
juristische Methodenlehre integriert werden können. Mit der Verbindung von
quantitativ-statistischer Datenempirie und qualitativ-hermeneutischer Deutungs-
arbeit erwarten die Kollegiaten auch, die Kluft zwischen quantitativen und quali-
tativen Forschungsmethoden - und damit die vielbeschworene Dichotomie von
Messen und Verstehen - ein Stück weit zu überbrücken. Drittens versprechen die
projektierten Pilotstudien auch neue, statistisch fundierte Einsichten in die Struk-
tur des „Textsystems“ Recht, insbesondere mit Blick auf die Bildung von Mehr-
heits- oder Minderheitsmeinungen in juristischen Diskursen.
Publikationen im Berichtszeitraum
Hamann, Hanjo: Die Fußnote, das unbekannte Wesen. Potential und Grenzen juristischer
Zitationsanalyse, Rechtswissenschaft Bd. 5 (2014), S. 501 ff
Vogel, Friedemann und Ralph Christensen: Die Sprache des Gesetzes ist nicht Eigentum der
Juristen. Von der Prinzipienspekulation zur empirischen Analyse der Abwägung. S. 87 ff.
in: Müller/Mastronardi (Hrsg.), „Abwägung“. Herausforderung für eine Theorie der
Praxis, Berlin 2014.
7 7. Die Vermessung der Welt: Religiöse Deutung und empirische
Quantifizierung im mittelalterlichen Europa
Kollegiat: Dr. Christoph Mauntel1
Mitarbeiterin: Carolin Wöhrle
1 Exzellenzcluster „Asien und Europa im globalen Kontext“, Universität Heidelberg
Mit einer wissenschaftlichen Berechnung kam Kardinal Heinrich von Segusio
Mitte des 13. Jahrhunderts zu folgendem Ergebnis: Die Sonne sei 6644mal größer
als der Mond.
Das biblische Gleichnis von Sonne und Mond als „zwei Lichter der Welt“
(Gen 1,16) wurde schon seit dem Frühmittelalter metaphorisch auf die Rivalität
zwischen Papst und Kaiser übertragen. Deren Streit um den Vorrang in der Chris-
tenheit ist eine der prägenden Grundstrukturen der mittelalterlichen Geschichte.
Die Sonne wurde mit dem Papst identifiziert: sie leuchte von sich aus, sei größer
und heller als der Mond, weswegen dem Papst die höhere Würde zukomme. Die-
se Metapher wurde durch die Jahrhunderte hindurch wiederholt als politisches
Argument genutzt. Heinrich von Segusio wollte nun das Gleichnis auf eine als
sicher eingeschätzte astronomische Grundlage stellen: Mit explizitem Rückgriff
auf die Autorität des antiken Gelehrten Claudius Ptolomäus berechnete Heinrich
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