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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2014 — 2015

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D. Antrittsreden, Nachrufe, Organe, Mitglieder
DOI Kapitel:
I. Antrittsreden
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Bukau, Bernd: Bernd Bukau: Antrittsrede vom 26. April 2014
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https://doi.org/10.11588/diglit.55654#0314
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D. Antrittsreden, Nachrufe, Organe, Mitglieder

Bernd Bukau
Antrittsrede vom 26. April 2014

Gerne möchte ich berichten, wie es dazu kam, dass
ich hier stehe, obgleich es mir ungewohnt und
fremd ist, mich selbst und nicht vielmehr meine
Arbeit in den Mittelpunkt zu stellen. Ich berichte
in der Hoffnung, dass ich keine meiner Eitelkeiten
zu sehr bediene.
Was gibt es eigentlich zu berichten? Vielleicht
etwas deutsche Geschichte aus meiner persönlichen
Sicht. Etwas über Zufall und Notwendigkeit von
Lebensentscheidungen und etwas über meine For-
schung, die mich geprägt und hierher geführt hat.
Begonnen hat alles mit meinen Eltern, die - aus


Essen und Wurzen kommend - sich in Leipzig ken-
nengelernt haben und mich zügig 1954 auf die Welt brachten. Genauer gesagt in
einer Studentenmansarde in einem Haus neben der Thomanerkirche, in der Bach
vor 300 Jahren seine Kantaten schrieb. Das hat mich zu meinem Bedauern zwar
nicht der Musik näher gebracht, aber zumindest erhält es mein Zeugungshaus
wohl auf Dauer, denn es ist jetzt Museum.
Ich wurde in die sowjetische Besatzungszone hineingeboren und kann mich
noch an einige Episoden erinnern. Zum Beispiel als wir Kinder in die Lastwägen
der Sowjetarmee steigen durften, während die Soldaten beim Bäcker ihre Brote
aufluden. Manchmal haben wir eines geklaut und unseren Mut bewundert. Für
mich als Knirps war die Zeit eigentlich prima.
Für meine Eltern dagegen waren diese Jahre hart, obgleich sie ja mich hatten.
Sie mussten alles neu aufbauen. Meinen Vater hatte es im 2. Weltkrieg als 19-Jäh-
rigen an der Ostfront mit einem Lungenschuss schwer eiwischt und es war ein
Wunder, dass er überlebt hat. Er hat sicherlich einen eisernen Willen und lässt
nicht locker, bis heute nicht, mit seinen mittlerweile 93 Jahren. Er hatte nach dem
Krieg eine Ingenieursausbildung im Fernstudium gemacht und bei der Wismut
gearbeitet. Die Wismut war gerade in eine Sowjetisch-Deutsche Aktiengesellschaft
(SDAG) umgewandelt worden - sozusagen als „offensive takeover maneuver“ -
und versorgte die SU mit Uran aus dem Erzgebirge. Mein Vater war für die Belüf-
tung der Schächte zuständig und hatte in diesem Zusammenhang eine Erfindung
gemacht, zusammen mit seinem Chef.
Aber kurz nachdem die beiden einen Erfinderpreis der DDR erhalten hatten,
wurde der Chef unter dem Vorwand unerlaubter Westkontakte in der Nacht fest-
genommen und in die SU deportiert und dort als Fachmann eingesetzt. Das war

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