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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2014 — 2015

DOI Kapitel:
D. Antrittsreden, Nachrufe, Organe, Mitglieder
DOI Kapitel:
I. Antrittsreden
DOI Artikel:
Bukau, Bernd: Bernd Bukau: Antrittsrede vom 26. April 2014
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.55654#0315
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Antrittsrede von Bernd Bukau

ein Schlüsselereignis für meine Eltern, die sowieso unzufrieden waren mit der
Entwicklung in der DDR. Sie haben daraufhin den für mein Leben so wichtigen
Entschluss zur Republikflucht gefasst. Gott sei es gedankt.
Und es war höchste Zeit, denn es war Frühjahr 1961, ca. 3 Monate vor Be-
ginn des Mauerbaus. Damals durfte man die Sowjetzone nur mit Erlaubnis oder
zum Einkäufen verlassen, also lediglich mit Einkaufstaschen. Und genauso haben
wir es gemacht, von Ostberlin nach Westberlin, vorbei an der ersten Banane am
Kiosk, unter Wahrung des Klischees. Ich bekam sie übrigens nicht.
Es ging weiter nach Frankfurt mit einer amerikanischen Militärmaschine, zu-
nächst ins obligatorische Ubergangslager in Friedland, danach in die erste eigene
Wohnung in Frankfurt, die so groß und leer war, dass ich im Wohnzimmer mit
dem Roller meine Runden drehen konnte.
Mich hat die Zeit in der DDR, die vielen Erzählungen meiner Familie und
meine Besuche in Leipzig und Ostberlin, seit Willy Brandt dies durch die Ostver-
träge möglich gemacht hat, sehr geprägt.
Nach einigem Hin und Her ist mein Vater beruflich im Kernforschungszent-
rum Karlsruhe gelandet und meine Eltern haben eine weitere, mich prägende Ent-
scheidung gefällt, indem sie mich an der damals neu gegründeten Europäischen
Schule Karlsruhe angemeldet haben. Von diesen Schulen gibt es nur wenige in
Europa - sie sind hervorragend. Ich hatte von der ersten Klasse der Grundschule
an Französisch, sogar einige Fächer wie Geschichte und Geographie bis zum Abi-
tur auf Französisch. Ich bin durch diese internationale Atmosphäre schon früh zu
einem tief überzeugten Europäer geworden.
Mit dieser Grundeinstellung bin ich nach dem Abitur erst einmal für ein Jahr
nach Frankreich gegangen, um Natuiwissenschaften in Besangon zu studieren.
Mein Weg in die Lebenswissenschaften war bereits in der Schule vorgezeichnet,
denn das Fach Biologie hat mich von Anfang an am meisten begeistert. Immer hat-
te ich eine Vorliebe für die Dinge, die man nicht sehen kann, die Mikroorganismen
und Moleküle, die Gene und Proteine.
Nach dem Studienjahr in Frankreich habe ich an der Universität Konstanz
Biologie studiert. In Konstanz habe ich viele glückliche Jahre verbracht, meine
Sturm-und-Drang-Zeit an der Universität erlebt, mit allem was dazu aber nicht
hierhin gehört, und meine Frau Anette kennengelernt, mit der ich seit über dreißig
Jahren glücklich zusammenlebe.
Ich habe in Konstanz in der Bakteriengenetik bei Prof. Winfried Boos promo-
viert. Die Bakteriengenetik hatte damals eine wichtige Vorreiterfunktion für die
aufkeimende Molekularbiologie und hat besonders stark analytisches Denken ab-
verlangt, was mich sehr stimulierte. In der Promotion hatte ich mich mit der Frage
beschäftigt, wie die Zellhülle von Escherichia coli als Permeabilitätsbarriere organi-
siert ist, so dass selektiv Substanzen in die Zelle aufgenommen und uneiwünschte
Substanzen abgewehrt werden können.

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