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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2015 — 2016

DOI Kapitel:
A. Das akademische Jahr 2015
DOI Kapitel:
II. Wissenschaftliche Vorträge
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Raible, Wolfgang: Metaphern als Denkmodelle
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Kappes, Manfred M.: Molekül-Ionen mit und ohne Umgebung – Momentaufnahmen
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https://doi.org/10.11588/diglit.55653#0051
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Manfred Kappes

Sequenzen“, was ein „Transkriptions“-Prozess ist, das Genom von Lebewesen wird
„dechiffriert“ etc.2
Solche Metaphern als Denkmodelle sind allenthalben anzutreffen. Der Phi-
losoph Hans Blumenberg hat einige näher beschrieben: die Welt als Buch („Die
Lesbarkeit der Welt“), die Welt als Uhrwerk, die Lebensreise als Schiffbruch; im
18. Jahrhundert gibt es Denken als Weben, das dann einen literarischen Nieder-
schlag in der Schülerszene im Faust findet - eine Vorstellung, hinter der der Artikel
über die Strumpfwirkmaschine (/e metierä faire des bas) in Diderots und d’Alemberts
Encydopedie steht. Allgegenwärtig ist heute das Netz(werk), seit einiger Zeit das
Gehirn als Computer, etc.
Festhalten kann man, dass eine Vorstellung, auf eine andre projiziert, entwe-
der Similarität und damit Metaphern oder Kontiguität und damit Metonymien
erzeugt. Um sich dies auch für die Metonymien zu verdeutlichen, muss man sich
nur überlegen, wie wir mit tabuisierten Bereichen umgehen, etwa mit Alkoholis-
mus: „Jemand schaut zu tief ins Glas“, „gießt sich einen hinter die Binde“, „hat
einen Seemannsgang“, „eine schwere Zunge“, etc.
Metaphern und Metonymien sind also keinesfalls Erscheinungen der Rhe-
torik, der Literatur oder der Dichtung. Wir könnten den Umgang mit unsrer
Lebenswelt überhaupt nicht ohne Metaphorik bewältigen, gerade auch in der Wis-
senschaft, wo Metaphorik ihren heuristischen Wert als (von der jeweiligen Zeit
abhängiges) Denkmodell voll entfalten kann.
Manfred Kappes
„Molekül-Ionen mit und ohne Umgebung - Momentaufnahmen"
Sitzung der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse am 17. April 2015
Im häufig herangezogenen Bild einer chemischen Reaktion werden farbige Lö-
sungen in Erlenmeyer Kolben miteinander vermengt, um damit zu andersfarbigen
Molekülen umgesetzt zu werden. Das sieht schön und zugleich einfach aus. Meist
besteht aber die entsprechende Chemie aus einer komplexen Kaskade elementarer
Reaktionen, die oft nicht vollständig erfasst sind, weil die molekulare Zusammen-
setzung der Lösungen unsicher ist. Ein Beispiel vermag das zu verdeutlichen. Flüs-
siges Wasser ist das wohl bekannteste Lösungsmittel der Chemie. Darin lassen sich
ionische Verbindungen gut lösen - so z. B. Metalloporphyrinsalze. Dabei stellt sich
ein dynamisches Lösungsgleichgewicht ein, an dem viele unterschiedliche ioni-

2 Der erste, der die Alphabetschrift als Denkmodell für genetische Information verwendet,
dürfte 1893 Friedrich Miescher in Basel gewesen sein. Vgl. Raible, Sprachliche Texte - Genetische
Texte, Heidelberg: Winter (Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften,
Jg. 1993, 1), S. 9 f.

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