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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2015 — 2016

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D. Antrittsreden, Nachrufe, Organe und Mitglieder
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II. Nachrufe
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Holstein, Thomas W.: Klaus Tschira (7.12.1940 – 31.3.2015)
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https://doi.org/10.11588/diglit.55653#0346
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Nachruf auf Klaus Tschira

temanalyse und Programmentwicklung. Hier wurden rechnergestützte Programme für
die Betriebsabrechnung von Unternehmen entwickelt, wobei Klaus Tschira maß-
geblich an der Entwicklung und Umsetzung der Kernkomponenten des Systems
R/R3 beteiligt war. Mit dessen Hilfe konnten unternehmensweit und unmittelbar
alle geschäftsrelevanten Informationen modular und flexibel koordiniert werden
(Bestell- und Rechnungswesen, Personalwesen und Produktplanung). Mit der er-
folgreichen Umsetzung von Entwicklungsaufträgen namhafter Firmen stieg die
Firma rasch zu einem bekannten Software-Unternehmen auf, und heute gilt die
international agierende SAP SE mit mehr als 77.000 Mitarbeitern in über 130 Län-
dern als Marktführer für Unternehmenssoftware und integrierte Softwarelösun-
gen weltweit. Gegenwärtig gibt es zu dieser hoch spannenden Entwicklung eines
heimischen Softwareunternehmens zu einem international operierenden Konzern
keine ökonomisch-historische Analyse, umgekehrt wird von Bill Gates die Aussa-
ge kolportiert, wonach „SAP ein Unfall der Softwareindustrie“ sei. Klaus Tschira
selbst zog sich 1998 aus dem Vorstand des Unternehmens zurück, war aber noch
bis 2007 über den Aufsichtsrat der Firma gestaltend tätig.
Bereits vor seinem Ausscheiden aus dem Vorstand der SAP AG hatte Klaus
Tschira im Jahr 1995 die Klaus Tschira Stiftung gemeinnützige GmbH (KTS)
gegründet. Das Ziel der KTS war und ist die Förderung der Naturwissenschaf-
ten Mathematik und Informatik sowie die Wertschätzung für diese Fächer.
Stiftungssitz ist die Villa Bosch in Heidelberg, der ehemalige Wohnsitz des Che-
mie-Nobelpreisträgers Carl Bosch. Mit diesem tiefgreifenden Schritt begann
das Engagement von Klaus Tschira in und für die Wissenschaft mit der KTS,
einer der größten privaten Stiftungen in Europa. 1997 erfolgte die Gründung
des European Media Laboratory GmbH (EML), einem Institut für angewand-
te Informatik, dessen gemeinnütziger Part EML Research gGmbH 2010 von
dem neugegründeten Heidelberger Institut für Theoretische Studien gGmbH
(HITS) abgelöst wurde. Das HITS dient der Grundlagenforschung, bis zum Jahr
2015 waren zwölf Forschungsgruppen eingerichtet, die sich durch ihre interdis-
ziplinäre naturwissenschaftliche Forschung auszeichnen. Klaus Tschira hat darü-
ber hinaus viele Wissenschaftler in ihren Projekten unterstützt, auch in solchen,
die an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften angesiedelt waren, wie das
Forschungsvorhaben „Historische und rezente Hochwasserkonflikte an Rhein,
Elbe und Donau im Spannungsfeld zwischen Naturwissenschaft, Technik und
Sozialökologie“. Sein Stiftungshandeln ging weit über die pekuniären Aspekte
hinaus, denn was ihn auszeichnete, war sein unmittelbares Interesse an der Wis-
senschaft: an der wissenschaftlichen Fragestellung der Projekte, ihrer Umset-
zung, den Ergebnissen und den Perspektiven. Er war daher als Teilnehmer von
Kolloquien, Seminaren und Konferenzen immer mehr als nur ein interessier-
ter Zuhörer, er konnte durch seine aktive Teilnahme an den Diskussionen und
durch seine Fragen häufig besser zum Kern eines Themas dringen als manch

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