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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2016 — 2017

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D. Antrittsreden, Nachrufe, Organe und Mitglieder
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II. Nachrufe
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Honerkamp, Josef: Hans Mohr (11.5.1930–29.12.2016)
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https://doi.org/10.11588/diglit.55652#0331
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D. Antrittsreden, Nachrufe, Organe, Mitglieder

schung entgegen zu treten.“ Und weiter - an den Autor - gerichtet: „Die [...]
verbindliche Argumentationsweise in Ihrem Buch ist eine bessere Voraussetzung
für eine Versöhnung der Fakultäten als die »Kampfschriften«, mit denen meine
Generation versucht hat, die versteinerten Barrieren zwischen Seminaren und
Instituten zum Einsturz zu bringen“. Er spricht hier von Kampfschriften seiner
Generation. Ja, kämpfen konnte er, er scheute keine Auseinandersetzung in den
Diskussionen, obwohl er dabei stets litt. Er sah es aber als seine Pflicht an, seine
Position immer wieder darzulegen und zu begründen.
Die Sorge um die weitere Akzeptanz von Wissenschaft durch Politik und Ge-
sellschaft hat ihn dazu bewogen, im Jahre 1992 einen leitenden Posten in einer neu
gegründeten Akademie für Technikfolgenabschätzung anzunehmen. Diese Akade-
mie sollte die Folgen technischer Innovationen erforschen, den gesellschaftlichen
Diskurs darüber initiieren und begleiten - sowie die Politik dabei beraten. Hans
Mohr hatte zwar schon einige Erfahrung mit Politikberatung in Bonn gesammelt,
aber im Rahmen der Arbeit an diesem Institut lernte er intensiv die Denk- und
Argumentationsweise der Politiker kennen und das Spannungsfeld, in dem die-
se stehen, wenn es z. B. um Fragen des Umweltschutzes geht. Wissenschaft und
Politik haben ihre je eigene Begründungs- und Argumentationskultur, und er hat
unermüdlich versucht, in Büchern und öffentlichen Vorträgen diese Unterschiede
deutlich zu machen. Zur Überbrückung dieser Unterschiede warb er für einen
intensiven Diskurs zwischen diesen Kulturen, z. B. mit Hilfe einer mehrstufigen
Expertenbefragung, in der sich die überzeugendsten Argumente allmählich durch-
setzen müssten. Eine „Erwägungskultur“ müsse entstehen und gepflegt werden,
in der das Wissen um die Realitäten einerseits und die Notwendigkeit eines Kon-
senses andererseits zum Tragen kommen muss, damit „die Innovationschübe auch
sozial beherrschbar“ bleiben.
Hans Mohr hat die Verpflichtung für die Gesellschaft, die er als Wissen-
schaftler gespürt hatte, sehr ernst genommen. Das tat er nicht nur im Rahmen
seiner speziellen beruflichen Tätigkeit und in der Heidelberger Akademie der
Wissenschaften, sondern auch in verschiedensten anderen wissenschaftlichen Ge-
sellschaften wie in der Akademie der Naturforscher Leopoldina und in der univer-
sitären Öffentlichkeit. Es wurde ihm gedankt, in Form von Preisen, Medaillen und
Ehrenmitgliedschaften, in Form von Ehrendoktoraten in Straßburg und Limburg
und von Bundesverdienstkreuzen am Bande (1993) und 1. Klasse (1998).
Aber auch in kleinerem und privatem Kreise hat er sich für die Idee einer
Eiwägungskultur eingesetzt. Bei all diesem Impetus, der ihn ein Leben lang trug,
verachtete er keineswegs ein zwangloses Gespräch, liebte Witz und Humor und
genoss gesellige Runden. Von seiner Frau sprach er mit leisem Stolz. Er hatte sie
schon in Studienjahren in Tübingen kennen gelernt; sie hat dort am MPI für me-
dizinische Biochemie promoviert. Er machte nie ein Hehl daraus, dass ohne die
liebevolle Partnerschaft mit ihr seine wissenschaftliche Karriere nicht möglich ge-

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