Nachruf auf Hans Mohr
theorie und Erkenntnistheorie zuwenden. So gab er im Jahre 1975 während eines
solchen Gastaufenthalts an der University of Massachusetts eine Reihe von Vor-
lesungen über Wissenschaftstheorie. Kurze Zeit später entstand daraus das Buch
„Lectures on Structure & Significance of Science“. Da er selbst erlebt hatte, welch
eine Wirkung Bücher überWissenschaft auf junge Menschen haben können, ver-
wundert es einen nicht, dass er überhaupt zu einem engagierten Buchautor gewor-
den ist. So hat er in seinem Leben mehr als 20 Bücher veröffentlicht. Insbesondere
ist hier auch sein umfassendes Lehrbuch „Pflanzenbiologie“ zu nennen, das er mit
seinem Kollegen Peter Schöpfer im Jahre 1969 veröffentlichte und dann später in
englischer Übersetzung weltweite Verbreitung fand.
Im Jahre 1982 wurde Hans Mohr in die Heidelberger Akademie der Wissen-
schaften berufen. Im Rahmen eines Forschungsprojektes widmete er sich während
der Jahre 1988 bis 1994 dem Studium der geophysikalischen und organismischen
Umsetzungsprozesse im Stickstoffkreislauf, um etwas zur Bewältigung der Um-
weltprobleme beizutragen, die in vielen Ökosystemen durch zu hohe anthropo-
gene Stickstoffeinträge entstanden sind. Neben diesen fachspezifischen Arbeiten
fand er in der Akademie aber auch ein interdisziplinäres Forum, in dem er seine
Gedanken zur Wissenschaftstheorie und zum Verhältnis von Wissenschaft und
Gesellschaft präsentieren und diskutieren konnte. Zahlreiche Veröffentlichungen
in der Schriftenreihe der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse der Aka-
demie entstanden zu diesen Themen.
Mit zunehmendem Alter beschäftigten ihn diese Themen immer mehr. Ins-
besondere waren es zwei Probleme: die Sprachlosigkeit zwischen Natur- und
Geisteswissenschaft und das Verhältnis von Wissenschaft und Politik, insbesondere
die Sorge um die weitere Akzeptanz von Wissenschaft durch Politik und Gesell-
schaft.
Als Biologe war ihm stets bewusst, dass unsere ganze intellektuelle und mora-
lische Ausstattung ein Produkt der Evolution ist. Die Entwicklung der Menschheit
muss man also immer im Lichte der Evolution sehen. Nur diejenigen Denk-
strukturen und Moralvorstellungen haben in unserer Entwicklung ja der Auslese
standhalten können, die sich genügend gut im Einklang mit den Strukturen der
jeweiligen Umwelt befanden. So war Hans Mohr auch frühzeitig ein engagierter
Vertreter der Evolutionären Erkenntnistheorie und der Evolutionären Ethik. In
der Welt der akademischen Fachphilosophen aber ist die Evolutionäre Erkenntnis-
theorie bis heute nur von wenigen rezipiert worden, wie überhaupt die Bedeutung
der Evolution für unser Sosein außerhalb der Naturwissenschaften wenig thema-
tisiert wird.
Dieses Fehlen eines gedanklichen Austauschs zwischen den Kulturen hat
Hans Mohr stets bedauert. In seinem Geleitwort zu dem Buch von Gerhard Voll-
mer „Evolutionäre Erkenntnistheorie“ schrieb er: „Meine Absicht war es immer
gewesen, der von mir empfundenen Trennung von Philosophie und Naturfor-
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theorie und Erkenntnistheorie zuwenden. So gab er im Jahre 1975 während eines
solchen Gastaufenthalts an der University of Massachusetts eine Reihe von Vor-
lesungen über Wissenschaftstheorie. Kurze Zeit später entstand daraus das Buch
„Lectures on Structure & Significance of Science“. Da er selbst erlebt hatte, welch
eine Wirkung Bücher überWissenschaft auf junge Menschen haben können, ver-
wundert es einen nicht, dass er überhaupt zu einem engagierten Buchautor gewor-
den ist. So hat er in seinem Leben mehr als 20 Bücher veröffentlicht. Insbesondere
ist hier auch sein umfassendes Lehrbuch „Pflanzenbiologie“ zu nennen, das er mit
seinem Kollegen Peter Schöpfer im Jahre 1969 veröffentlichte und dann später in
englischer Übersetzung weltweite Verbreitung fand.
Im Jahre 1982 wurde Hans Mohr in die Heidelberger Akademie der Wissen-
schaften berufen. Im Rahmen eines Forschungsprojektes widmete er sich während
der Jahre 1988 bis 1994 dem Studium der geophysikalischen und organismischen
Umsetzungsprozesse im Stickstoffkreislauf, um etwas zur Bewältigung der Um-
weltprobleme beizutragen, die in vielen Ökosystemen durch zu hohe anthropo-
gene Stickstoffeinträge entstanden sind. Neben diesen fachspezifischen Arbeiten
fand er in der Akademie aber auch ein interdisziplinäres Forum, in dem er seine
Gedanken zur Wissenschaftstheorie und zum Verhältnis von Wissenschaft und
Gesellschaft präsentieren und diskutieren konnte. Zahlreiche Veröffentlichungen
in der Schriftenreihe der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse der Aka-
demie entstanden zu diesen Themen.
Mit zunehmendem Alter beschäftigten ihn diese Themen immer mehr. Ins-
besondere waren es zwei Probleme: die Sprachlosigkeit zwischen Natur- und
Geisteswissenschaft und das Verhältnis von Wissenschaft und Politik, insbesondere
die Sorge um die weitere Akzeptanz von Wissenschaft durch Politik und Gesell-
schaft.
Als Biologe war ihm stets bewusst, dass unsere ganze intellektuelle und mora-
lische Ausstattung ein Produkt der Evolution ist. Die Entwicklung der Menschheit
muss man also immer im Lichte der Evolution sehen. Nur diejenigen Denk-
strukturen und Moralvorstellungen haben in unserer Entwicklung ja der Auslese
standhalten können, die sich genügend gut im Einklang mit den Strukturen der
jeweiligen Umwelt befanden. So war Hans Mohr auch frühzeitig ein engagierter
Vertreter der Evolutionären Erkenntnistheorie und der Evolutionären Ethik. In
der Welt der akademischen Fachphilosophen aber ist die Evolutionäre Erkenntnis-
theorie bis heute nur von wenigen rezipiert worden, wie überhaupt die Bedeutung
der Evolution für unser Sosein außerhalb der Naturwissenschaften wenig thema-
tisiert wird.
Dieses Fehlen eines gedanklichen Austauschs zwischen den Kulturen hat
Hans Mohr stets bedauert. In seinem Geleitwort zu dem Buch von Gerhard Voll-
mer „Evolutionäre Erkenntnistheorie“ schrieb er: „Meine Absicht war es immer
gewesen, der von mir empfundenen Trennung von Philosophie und Naturfor-
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