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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2017 — 2018

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A. Das akademische Jahr 2017
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II. Wissenschaftliche Vorträge
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Gesamtsitzung am 22. Juni 2017 zu Ehren von Peter Graf Kielmansegg anlässlich seines 80. Geburtstages
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Münkler, Herfried: Was kann die Politikwissenschaft aus der Beschäftigung mit historischen Themen lernen?: Graf Kielmanseggs Buch über den Ersten Weltkrieg
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https://doi.org/10.11588/diglit.55651#0062
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II. Wissenschaftliche Vorträge

die „glorious revolution“, und dabei stieß er auf den Lordprotektor Oliver Crom-
well, die Macht der Generäle, die Säuberung des Parlaments durch Oberst Pride
usw. Burke entwickelte daraus ein Verlaufsmodell, das den Fortgang der Franzö-
sischen Revolution in erstaunlicher Präzision antizipierte.
Burkes Argumentation beginnt damit, dass er sich mit einer historischen
Analogie auseinandersetzt, die er für falsch hält und von der er befürchtet, dass
sie gefährliche Illusionen in der englischen Gesellschaft verbreiten werde. Der
Dissenter Richard Price hatte in einer Predigt die These aufgestellt, die Revolu-
tion in Frankreich sei der in England von 1688/89 vergleichbar, ähnele also der
„glorious revolution“. Burke widerspricht dem; er hält die Analogie für falsch
und darum für politisch irreführend; deswegen untersucht er eingehend die re-
volutionären Ereignisse in Frankreich. Dabei kommt er zu dem Ergebnis, dass sie
eher mit denen von 1640-1660, also der „bloody revolution“ vergleichbar sind.
Aber er bedient sich zusätzlich auch der Analogien aus der antiken Geschich-
te, etwa, wenn er über die mathematisch rationalen Prinzipien, nach denen die
Neueinrichtung der sozio-politischen Ordnung Frankreichs erfolgt, unter Ver-
weis auf die Eroberungspolitik Roms mit ironischem Unterton bemerkt: „Sie
haben Frankreich in eben der Manier freigemacht, in welcher die Römer, jene
alten, redlichen Freunde der Rechte des Menschen, Griechenland, Mazedonien
und andere Länder mit der Freiheit beschenkten. Unter dem Voiwand, die Un-
abhängigkeit jeder einzelnen Stadt zu sichern, rissen sie die Bande entzwei, die
das Ganze zusammenhielten.“18
Schließlich beschäftigt sich Burke noch mit dem Zustand der seit Beginn
der Revolution schrittweise zerfallenden Armee und stellt die These auf, diese
Armee werde sich nie zum politischen Instrument einer Versammlung machen
lassen, „die nie länger als zwei Jahre in ihrer Würde verbleibt“, denn „es ist be-
kannt, wie schwer es zu allen Zeiten gehalten hat, Armeen zu einem anhaltenden
Gehorsam gegen bürgerliche Senate und Volksversammlungen zu bringen“.19
Neben dem Aufstieg Oliver Cromwells und der Offiziere seiner New Modell
Army dürfte Burke an dieser Stelle auch die Rolle der Legionen in der Spätphase
der römischen Republik vor Augen gehabt haben. Er schreibt, es werde immer
wieder zu Meutereien und Erhebungen kommen, „bis irgendein allgemein be-
liebter General, der die Kunst versteht, den Soldaten zu fesseln, und der den
wahren Geit eines militärischen Befehlshabers besitzt, es dahin bringen wird, al-
ler Augen auf sich allein zu richten. Diesem werden die Armeen aus persönlicher
Ergebenheit gehorchen. Keine andere Art von Gehorsam ist in dieser Lage der
Sachen vom Soldaten zu erwarten. Von dem Augenblick aber, da dies geschehen
wird, muß der Mann, der die Armee wirklich kommandiert, auch Meister alles

18 Ebd., S. 272.
19 Ebd., S. 307.

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