Herfried Münkler
übrigen werden; er muß Herr [...] des Königs, Herr der gesetzgebenden Ver-
sammlung, Herr der ganzen Republik sein.“20 - Das war eine ziemlich genaue
Beschreibung der politischen Karriere, die Napoleon Bonaparte einige Jahre spä-
ter machen sollte.
Edmund Burke, diese herausragende Gestalt der politischen Ideengeschichte,
hat also historische Themen genutzt, um aktuelle politische Entwicklungen anti-
zipieren zu können. Man kann von ihm einiges lernen, aber dazu muss man sich
mit ihm beschäftigt haben, was diejenigen, die eine eilfertige Analogie zwischen
dem Arabischen Frühling und den Friedlichen Revolutionen von 1989 herstellten,
offensichtlich nicht getan haben. Überflüssig zu eiwähnen, dass Burkes Denken
von einer gehörigen Portion Skepsis gekennzeichnet war - womit wir wieder bei
Graf Kielmanseggs Verständnis von politischer Wissenschaft sind. Ich hoffe, Graf
Kielmansegg, dass Ihnen die von mir im Vorbeigehen hergestellte Nähe zu Ed-
mund Burke nicht unangenehm war: Er war ein Liberalkonservativer, denen ich
Sie auch zurechnen würde.21
Legitimation durch Nutzen: Die Politikwissenschaft im System der Wissenschaften
Zurück zu unserem Thema, dem Gebrauch historischer Themen in politikwis-
senschaftlicher Absicht. Wie eiwähnt, ist das eine Herangehensweise an Probleme,
die sich nicht stringent szientifizieren lässt. Man kann daraus schlussfolgern, dann
habe sie auch in der Wissenschaft nichts zu suchen, sondern ihr Platz sei eher im
leichtfüßigen politischen Feuilleton. Diese Konsequenz haben viele Fachkollegen
bekanntlich gezogen; sie beschränken sich in ihrer Arbeit als Wissenschaftler auf
immer speziellere und engere Themen. Frei nach Wittgenstein: Wovon man me-
thodisch kontrolliert nicht sprechen kann, davon sollte man als Wissenschaftler
schweigen. Das ist durchaus konsequent, hat aber ein Problem: Wenn es wirk-
lich um Politik geht, herrscht seitens der Politikwissenschaft als Fach ein großes
Schweigen; andere Wissenschaften übernehmen dann, weil sie glauben, sie hätten
dazu etwas zu sagen, das Sprechen. Das können wir zurzeit beobachten, wo sich
Kulturwissenschaft, Philosophie und Geschichtswissenschaft immer mehr aus
dem einstigen Arbeitsfeld der Politikwissenschaft zurückholen und diese zuneh-
mend vor dem Problem steht, den Nachweis ihres gesellschaftlichen Nutzens zu
erbringen, seitdem sie zu so vielen in ihren Zuständigkeitsbereich fallenden Fra-
gen notorisch schweigt.
20 Ebd., S. 307 £
21 Zu dieser Charakterisierung vgl. Christian Graf von Kockow, „Edmund Burke“; in: Pipers
Handbuch der politischen Ideen, hrsg. von Iring Fetscher und Herfried Münkler, Bd. 4, Mün-
chen und Zürich 1986, S. 71-79. Zur Bedeutung liberal-konservativen Denkens für die Ge-
schichte der Bundesrepublik vgl. Jens Hacke, Philosophie der Bürgerlichkeit. Die liberalkonser-
vative Begründung der Bundesrepublik, Göttingen 2006. Hacke rechnet auch Graf Kielmansegg
dieser Denktradition zu.
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übrigen werden; er muß Herr [...] des Königs, Herr der gesetzgebenden Ver-
sammlung, Herr der ganzen Republik sein.“20 - Das war eine ziemlich genaue
Beschreibung der politischen Karriere, die Napoleon Bonaparte einige Jahre spä-
ter machen sollte.
Edmund Burke, diese herausragende Gestalt der politischen Ideengeschichte,
hat also historische Themen genutzt, um aktuelle politische Entwicklungen anti-
zipieren zu können. Man kann von ihm einiges lernen, aber dazu muss man sich
mit ihm beschäftigt haben, was diejenigen, die eine eilfertige Analogie zwischen
dem Arabischen Frühling und den Friedlichen Revolutionen von 1989 herstellten,
offensichtlich nicht getan haben. Überflüssig zu eiwähnen, dass Burkes Denken
von einer gehörigen Portion Skepsis gekennzeichnet war - womit wir wieder bei
Graf Kielmanseggs Verständnis von politischer Wissenschaft sind. Ich hoffe, Graf
Kielmansegg, dass Ihnen die von mir im Vorbeigehen hergestellte Nähe zu Ed-
mund Burke nicht unangenehm war: Er war ein Liberalkonservativer, denen ich
Sie auch zurechnen würde.21
Legitimation durch Nutzen: Die Politikwissenschaft im System der Wissenschaften
Zurück zu unserem Thema, dem Gebrauch historischer Themen in politikwis-
senschaftlicher Absicht. Wie eiwähnt, ist das eine Herangehensweise an Probleme,
die sich nicht stringent szientifizieren lässt. Man kann daraus schlussfolgern, dann
habe sie auch in der Wissenschaft nichts zu suchen, sondern ihr Platz sei eher im
leichtfüßigen politischen Feuilleton. Diese Konsequenz haben viele Fachkollegen
bekanntlich gezogen; sie beschränken sich in ihrer Arbeit als Wissenschaftler auf
immer speziellere und engere Themen. Frei nach Wittgenstein: Wovon man me-
thodisch kontrolliert nicht sprechen kann, davon sollte man als Wissenschaftler
schweigen. Das ist durchaus konsequent, hat aber ein Problem: Wenn es wirk-
lich um Politik geht, herrscht seitens der Politikwissenschaft als Fach ein großes
Schweigen; andere Wissenschaften übernehmen dann, weil sie glauben, sie hätten
dazu etwas zu sagen, das Sprechen. Das können wir zurzeit beobachten, wo sich
Kulturwissenschaft, Philosophie und Geschichtswissenschaft immer mehr aus
dem einstigen Arbeitsfeld der Politikwissenschaft zurückholen und diese zuneh-
mend vor dem Problem steht, den Nachweis ihres gesellschaftlichen Nutzens zu
erbringen, seitdem sie zu so vielen in ihren Zuständigkeitsbereich fallenden Fra-
gen notorisch schweigt.
20 Ebd., S. 307 £
21 Zu dieser Charakterisierung vgl. Christian Graf von Kockow, „Edmund Burke“; in: Pipers
Handbuch der politischen Ideen, hrsg. von Iring Fetscher und Herfried Münkler, Bd. 4, Mün-
chen und Zürich 1986, S. 71-79. Zur Bedeutung liberal-konservativen Denkens für die Ge-
schichte der Bundesrepublik vgl. Jens Hacke, Philosophie der Bürgerlichkeit. Die liberalkonser-
vative Begründung der Bundesrepublik, Göttingen 2006. Hacke rechnet auch Graf Kielmansegg
dieser Denktradition zu.
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