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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2017 — 2018

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A. Das akademische Jahr 2017
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III. Veranstaltungen
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Verleihung des Karl-Jaspers-Preises 2017 an das Ehepaar Jan und Aleida Assmann
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Assmann, Jan: Das Kulturelle Gedächtnis zwischen Vergangenheit und Zukunft
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https://doi.org/10.11588/diglit.55651#0116
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III. Veranstaltungen

Jan Assmann:
„Das Kulturelle Gedächtnis zwischen Vergangenheit und Zukunft"
Dies ist der erste große Preis, den Aleida und ich gemeinsam erhalten. Das erfüllt
uns mit ganz besonderer Freude und Dankbarkeit. Auch wenn wir keine Philo-
sophen sind, steht uns gerade Karl Jaspers seit langem nahe und so bedeutet uns
dieser Preis sehr viel als Zeichen nicht nur der Anerkennung, sondern auch der
Verbundenheit mit unserer Alma Mater. Beim Thema „das kulturelle Gedächtnis
zwischen Vergangenheit und Zukunft“ haben wir uns die Arbeit geteilt und Sie
werden nicht überrascht sein, dass ich mich dem Pol der Vergangenheit widmen
möchte. Die Vergangenheit ist ja überhaupt mein Thema als Ägyptologe, denn viel
weiter als nach Ägypten kommt man in der Zeit nicht zurück, wenn man sich an
die Spur der Schrift hält.
Wo es heute um Jaspers geht, möchte ich mich seiner Achsenzeit-Theorie
zuwenden, die mich seit eh und je ebenso fasziniert wie (das sei nur gleich ge-
standen) irritiert hat. Bei der Vorbereitung fiel mir Jaspers’ Buch Vom Ursprung
und Ziel der Geschichte in der Fischer-Taschenbuch-Ausgabe von 1955 wieder in
die Hände. Zu meiner Überraschung fand ich von meiner Hand 1955 als Jahr
der Anschaffung eingetragen, und es war voller Anstreichungen. Die erwähnte
Mischung aus Faszination und Irritation geht auf jene Lektüre zurück. Was ich
mir mit dem ganzen Hoch- und Übermut des Unterprimaners zum Ziel setzte,
war nichts Geringeres als diese faszinierenden kulturphilosophischen Spekulati-
onen auf die Grundlage solider Kenntnisse der Sprachen und Kulturen der Alten
Welt zu stellen, von denen Jaspers, mit Ausnahme des Griechischen, wenig Ah-
nung zu haben schien. Also Archäologie und Philologie als Propädeutikum der
Kulturphilosophie, das war die Devise, mit der ich mich nach dem Abitur auf
das Studium der Hieroglyphen, der Keilschrift, der Gräzistik und Archäologie
warf.
Das hohe Ziel, um dessentwillen ich das mühsame Studium dieser Sprachen
und Schriften auf mich nahm (die Keilschrift habe ich nach vier Semestern wieder
aufgegeben), habe ich in den ersten fast 30 Jahren meiner ägyptologischen Exis-
tenz erst einmal aus dem Auge verloren. Erst im Laufe der 80er Jahre tauchten
die kulturphilosophischen Perspektiven wieder auf. Ausschlaggebend dafür war
das Projekt einer „Archäologie der literarischen Kommunikation“, in dem Alei-
da und ich ab 1979 in einem Zyklus zwei- bis dreijähriger Tagungen mit einem
Arbeitskreis von Freunden und Spezialisten Themen bearbeiteten wie „Schrift
und Gedächtnis“, „Kanon und Zensur“, „Weisheit“, „Text und Kommentar“ usw.
Ausgangspunkt war die These, dass die Schrift nicht als Gegensatz, sondern als
Medium des Gedächtnisses zu verstehen und die bis dahin dominierende Gegen-
überstellung von Schriftkulturen und Gedächtniskulturen aufzugeben sei. Alle

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