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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2017 — 2018

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A. Das akademische Jahr 2017
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II. Wissenschaftliche Vorträge
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Sinning, Irmgard: Wie ein zellulärer Postbote die korrekte Zustellung von Membranproteinen sicherstellt
DOI Artikel:
Reinkowski, Maurus: Das Ende der Ersten Republik – zur Geschichte der modernen Türkei
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.55651#0044
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II. Wissenschaftliche Vorträge

Strukturbiologie mit leistungsstarken Synchrotronstrahlungsquellen, neuen De-
tektoren und Automatisierung - haben das detaillierte Bild des SRP-vermittelten
Proteintransports geschaffen, das uns jetzt vorliegt.
Maurus Reinkowski
„Das Ende der Ersten Republik - zur Geschichte der modernen Türkei"
Gesamtsitzung am 29. April 2017
Die Republik Türkei hat in ihrer bisherigen, knapp einhundertjährigen Ge-
schichte mehrere Umwälzungen erfahren. Das Mitte der 1920er Jahre errichtete
autoritäre Einparteienregime wurde in den 1940er Jahren von einem Mehrpartei-
ensystem abgelöst; die ersten freien Wahlen folgten im Jahr 1950. Den Militärput-
schen von 1960 und 1980 folgten neue Verfassungen. Die Verfassung des Jahres
1961 tendierte in Richtung einer liberalen politischen Ordnung; die Verfassung
von 1982 zielte auf eine autoritäre Wende im Sinne eines Vorrangs der staatlichen
Interessen.
Die Übernahme der Regierung durch die Partei für Gerechtigkeit und Entwick-
lung (Adalet ve Kalkmma Partisi, AKP) im Jahr 2002 war ein weiterer bedeutender
Einschnitt. 1997 noch hatte das Militär den damaligen Ministerpräsidenten Nec-
mettin Erbakan zum Rücktritt gezwungen und kurz darauf die von ihm geführte
islamistisch orientierte Partei des Wohlstands (Refah Partisi) verboten. Ähnliche Ver-
suche des Militärs und der etablierten kemalistischen Elite in den 2000er Jahren,
die AKP von der Regierung zu verdrängen und verbieten zu lassen, scheiterten.
Der AKP gelang es nicht nur, sich fest zu etablieren, sie veränderte die tür-
kische Gesellschaft, politische Ordnung und Wirtschaft von Grund auf. Die AKP
konnte der kemalistischen Elite ihr Machtmonopol entreißen. Diese bestand
nicht nur aus der obersten Führung des türkischen Militärs, sondern aus einem
bürokratisch-militärisch-judikativ-intellektuellen Komplex, der über Jahrzehnte
hinweg die Türkei beherrschte und sich, über den jeweiligen Parteien und Regie-
rungen stehend, als legitimer Wächter der modernen Türkei gesehen hatte. Von
der westlichen Staatengemeinschaft, aber auch von der liberalen Öffentlichkeit in
der Türkei selbst wurde die AKP als Modell für die Vereinbarkeit von Demokra-
tie mit einem gemäßigten politischen Islam gesehen und gefördert. Die vom tür-
kischen Parlament Anfang der 2000er Jahre beschlossenen Gesetzespakete waren
wichtige Schritte hin zu einer Angleichung an die europäische Rechtskultur und
an den acquis communautaire der Europäischen Union. Die wirtschaftliche Erfolgs-
geschichte der Türkei der letzten Jahrzehnte hat die AKP nicht allein geschrieben,
da sie auf der Liberalisierung der Wirtschaft unter Turgut Özal (Ministerpräsident
in den Jahren 1983-1989, Präsident von 1989 bis 1993) und den Restrukturie-

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