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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2017 — 2018

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A. Das akademische Jahr 2017
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III. Veranstaltungen
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Verleihung des Karl-Jaspers-Preises 2017 an das Ehepaar Jan und Aleida Assmann
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Kaegi, Dominic: Dialogischer Erkenntnisgewinn: zur Verleihung des Karl-Jaspers-Preises an Aleida und Jan Assmann
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https://doi.org/10.11588/diglit.55651#0113
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Verleihung des Karl-Jaspers-Preises 2017 an Jan und Aleida Assmann

Dialogischer Erkenntnisgewinn:
Zur Verleihung des Karl-Jaspers-Preises an Aleida und Jan Assmann
Es gibt Preisverleihungen, die sind eine Art Klassentreffen. Der Jaspers-Preis gehört
nicht dazu. Mit Schulbildungen tat sich Jaspers ohnehin schwer, zumal im eigenen
Namen. „Meine Schüler haben nur ein Gemeinsames: daß jeder er selbst ist.“ Hät-
te Jaspers je Schule gemacht - ihre Geschichte bestünde „zu einem beträchtlichen
Teil aus Häresien“, wie Ricceuer den ambivalenten Erfolg der Husserl-Schule bi-
lanzierte. So ist es kein Zufall, dass sich in der Liste der bisherigen Jaspers-Preis-
träger gleich mehrere prominente Jaspers-Kritiker finden: Hans-Georg Gadamer,
Jürgen Habermas, Robert Spaemann, in gewisser Weise auch Ricceuer selbst. Was
dem Ansehen des Preises nicht geschadet hat, im Gegenteil. „Differenzverträglich-
keit“ nannte das Hans Sauer - einer der engsten Schüler Jaspers’.
Gestiftet wurde der Jaspers-Preis 1983 von der Stadt und der Universität Hei-
delberg. Seit 2013 beteiligen sich die Heidelberger Akademie der Wissenschaften
und das Heidelberg Centre for Transcultural Studies an der Preisvergabe. Mit dem
diesjährigen Preis wurden al pari ausgezeichnet Aleida Assmann, Professorin für
Anglistik und Allgemeine Literaturwissenschaft an der Universität Konstanz, und
Jan Assmann, Emeritus am Ägyptologischen Institut der Universität Heidelberg.
Ihre „wegweisenden und einzigartigen Studien zum kulturellen Gedächtnis und
zur Archäologie der literarischen Kommunikation“ seien zugleich ein „bahnbre-
chender Beitrag zu einer interdisziplinären Verständigung“, heißt es in der Be-
gründung des Auswahlkomitees.
Kulturelles Apriori
„Kinder, macht Fußnoten!“ soll Aby Warburg seine Studenten ermahnt haben. „Der
liebe Gott steckt im Detail.“ Warburg kam es nicht auf den Umfang des Kleinge-
druckten an, sondern auf seine Funktion: zu kommentieren, relativieren, zu diffe-
renzieren. Darin steckte ein kulturwissenschaftliches Ethos, das Jaspers fremd geblie-
ben ist, wie übrigens auch die Fußnoten. Für ihn waren wesentliche Grundzüge
menschlichen Daseins - die Erfahrung von Grenzsituationen, der Bezug der Exis-
tenz auf Transzendenz oder die Polarität von Zeit und Ewigkeit - zwar nicht kultur-
unabhängig, aber kulturinvariant. Verschiedene Kulturen bilden verschiedene Be-
griffe beispielsweise von Vergänglichkeit aus, immer aber bedeutet Vergänglichkeit
die Erfahrung einer Grenze im Dasein; verschiedene Kulturen bilden verschiedene
Begriffe („Chiffren“) der Transzendenz aus, immer aber bedeutet Transzendenz
ein „schenkendes“ Gegenüber der Existenz. Im Sinne solcher Invarianten gibt es
ein kulturelles Aprioi, eine Achse, um die sich die Weltgeschichte dreht. Mitte des
ersten vorchristlichen Jahrhunderts wird die Achse auch empirisch sichtbar, als
sich „in Indien, China und dem Abendland“ gleichursprünglich ein umgreifender

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