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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2017 — 2018

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A. Das akademische Jahr 2017
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III. Veranstaltungen
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Verleihung des Karl-Jaspers-Preises 2017 an das Ehepaar Jan und Aleida Assmann
DOI Artikel:
Kaegi, Dominic: Dialogischer Erkenntnisgewinn: zur Verleihung des Karl-Jaspers-Preises an Aleida und Jan Assmann
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.55651#0114
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III. Veranstaltungen

Rahmen kultureller Selbstverständigung formiert: „Das Neue dieses Zeitalters“, so
Jaspers, „ist in allen drei Welten, daß der Mensch sich des Seins im Ganzen, seiner
selbst und seiner Grenzen bewußt wird. Er erfährt die Furchtbarkeit der Welt und
die eigene Ohnmacht. Er stellt radikale Fragen. (...) Er erfährt die Unbedingtheit in
der Tiefe des Selbst-seins und in der Klarheit der Transzendenz.“
Jan Assmann plädierte in seinem Part der gemeinsamen Dankesrede über „Das
kulturelle Gedächtnis in Vergangenheit und Zukunft“ eindrücklich für eine kul-
turwissenschaftlich abgefederte Relativierung die Achsenzeitthese. Als Epochen-
begriff sei das Konzept der Achsenzeit unbrauchbar, auch als „Scheinwerfer“ tauge
es nicht: zu vieles bleibe hier unausgeleuchtet. „Ich verstehe Jaspers’ Achsenzeit-
theorie lieber als eine Heuristik, eine Art kulturanalytischer Sonde, mit der man
sich historischen Kulturen nähern und beobachten kann, ob und nach welchen
Richtungen sie ausschlägt. Dann allerdings kommt man zu faszinierenden Ergeb-
nissen.“ Die von Jaspers genannten Kriterien der Achsenzeit sind in dieser Ver-
suchsanordnung gewissermaßen „Fühler“, deren Lämpchen bei der historischen
Sondierung unterschiedlicher Kulturen aufleuchten - oder dunkel bleiben. So
entsteht ein Panorama zerstreuter, stärkerer und schwächerer Signale (- ein Bild,
das Aleida Assmann für das „Geisterreich der Kommunikation“ aufgreift). Welche
davon bei uns ankommen, mit welcher Strahlkraft sie nachwirken, hat weniger mit
den Justierungen der Sonde zu tun, die sich enger oder weiter einstellen lässt. Ent-
scheidend ist das Medium, das die Signale transportiert: „nicht nur Schrift, sondern
auch Institutionen wie Auslegungskultur, Kommentar, professionelle Exegeten,
kurz: eine spezifische Struktur und Organisation des kulturellen Gedächtnisses“,
die Jaspers offensichtlich voraussetzt, ohne sie eigens als Bedingung des achsen-
zeitlichen Zugriffs auf Ursprung und Ziel „der“ Geschichte zu reflektieren.
Vernetzte Geister
„Medium“ lautet das Stichwort auch im zweiten Teil der Dankesrede. Aleida Ass-
mann kombiniert das Thema elegant mit dem Friedenspreis des deutschen Buch-
handels, den Jaspers 1958 erhielt - und sie liest Jaspers’ Preisrede und die Laudatio
von Hannah Arendt als einen Text: „über Erinnerung und Wahrheit, Medien und
Öffentlichkeit“.
„Das habe ich getan, sagt mein Gedächtnis. Das kann ich nicht getan haben
- sagt mein Stolz und bleibt unerbittlich. Endlich gibt das Gedächtnis nach.“ Er-
innerungskultur ist das Gegenteil eines flexiblen Gedächtnisses jenseits von Gut
und Böse. Sie verlangt Wahrhaftigkeit, objektiv wie subjektiv: objektiv in der An-
erkennung des Faktischen, subjektiv in der Abgrenzung von Autoritäten (und
Schreihälsen), die meinen, schon im Besitz der Wahrheit zu sein. Die Gefahr gehe
nach Jaspers, dem „Vordenker der deutschen Erinnerungskultur“ nicht „nur von
denen aus, die die Wahrheit verdrehen, sondern auch von denen, die sie gepach-

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