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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2017 — 2018

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A. Das akademische Jahr 2017
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II. Wissenschaftliche Vorträge
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Gesamtsitzung am 22. Juni 2017 zu Ehren von Peter Graf Kielmansegg anlässlich seines 80. Geburtstages
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Münkler, Herfried: Was kann die Politikwissenschaft aus der Beschäftigung mit historischen Themen lernen?: Graf Kielmanseggs Buch über den Ersten Weltkrieg
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Stein, Tine: Menschenrechte und die Grenzen des demokratischen Verfassungsstaats
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https://doi.org/10.11588/diglit.55651#0065
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Tine Stein

„humanities“ verbleibt, wo er nicht - oder jedenfalls sehr viel weniger - auf die
Stabilität sozialer und politischer Ordnungen angewiesen ist. Im Gegenteil: Von
hier aus kann er deren Instabilität, ihren Zerfall und ihre Zerstörung am besten
beobachten.
Die Szientifizierung des Fachs fand in einer Periode großer Stabilität bzw.
einsinniger Entwicklungsprozesse statt. Diese Zeit ist nun offenkundig vorbei.
Der Aufstieg der Autokraten, die politische Renaissance des Nationalstaates, die
offene Frage, wie die Zukunft der Demokratien aussehen wird - all diese Fra-
gen lassen sich mit Datenextrapolationen nicht beantworten und, wo das doch
der Fall ist, sind die Aussagen nicht besser begründet, als das bei historischen
Analogien und Parallelen der Fall ist. Wir bewegen uns in eine solche Perio-
de zerbrechender Ordnungen hinein. Gerade in ihr werden von unserem Fach
Antworten erwartet. In diesem Sinne wird die Art, in der Sie, Graf Kielmansegg,
das Fach beackert und gepflegt haben, auch in Zukunft nicht der Vergangenheit
angehören.
Tine Stein
„Menschenrechte und die Grenzen des demokratischen
Verfassungsstaats"*
„Der demokratische Verfassungsstaat ist kein Gebilde aus einem Guß. Seine Re-
geln gehorchen nicht einer bestimmten und nur einer Logik. Die Prinzipien, die
in ihm Gestalt gewonnen haben, lassen sich nicht spannungsfrei verknüpfen.“* 1
Diese Erkenntnis über den demokratischen Verfassungsstaat ist ein Schlüssel zu
dem Werk Peter Graf Kielmanseggs, der in zahlreichen ideenhistorischen wie sys-
tematisch orientierten politiktheoretischen Studien immer wieder die spannungs-
volle Balance herausgearbeitet hat - sei es die Spannung von Demokratieprinzip
und Verfassungsprinzip oder sei es die Symbiose von Repräsentation und populär
govemment, die die „Selbstregierung unter der Bedingung moderner Staatlichkeit
erst möglich gemacht hat“.2 Die Rednerin hat hier einen besonderen Dank an den
heute zu Ehrenden abzustatten: noch in den achtziger Jahren überzeugte Anhän-
gerin der Basisdemokratie, hat sie vor allem durch die Abhandlung „Quadratur

* Für die Veröffentlichung des Vortrags wurden die Anmerkungen eingefügt, der Vortragsstil
wurde weitestgehend beibehalten. Eine Langfassung erscheint in „Die Grammatik der Demo-
kratie. Das Staatsverständnis von Peter Graf Kielmansegg, hrsg. v. Ahmet Cavuldak, Reihe
Staatsverständnisse im Nomos-Verlag“.
1 Peter Graf Kielmansegg: Das Verfassungsparadox, in: Politik, Philosophie, Praxis. Festschrift
für Wilhelm Hennis, hrsg. v. Hans Maier/Ulrich Matz u.a., Stuttgart: Klett-Cotta 1988,
S. 397-411, hier S.411.
2 Peter Graf Kielmansegg: Repräsentation und Partizipation. Überlegungen zur Zukunft der
repräsentativen Demokratie, Stuttgart 2016, S. 8 f. Fn. 6.

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