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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2017 — 2018

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A. Das akademische Jahr 2017
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II. Wissenschaftliche Vorträge
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Gesamtsitzung am 22. Juni 2017 zu Ehren von Peter Graf Kielmansegg anlässlich seines 80. Geburtstages
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Cavuldak, Ahmet: Peter Graf Kielmansegg als Analytiker der Demokratie
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https://doi.org/10.11588/diglit.55651#0076
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II. Wissenschaftliche Vorträge

sehr lebhaft vor Augen, wie ich etwas verspätet in den leider nicht so schönen
Seminarraum A 309 kam und Graf Kielmansegg sitzend vorfand; er musterte die
Studenten der Reihe nach mit gespannter Erwartung und einer gewissen Milde
im Gesichtsausdruck. Seine Erscheinung war - und ist bis heute, wie Sie alle
sicherlich bestätigen werden - die eines eleganten Gelehrten alten Stils. Als wir
vollzählig waren, begann Graf Kielmansegg zu sprechen. Und sofort wurde es
in dem Raum still. Die Bestimmtheit im Ton und die Klarheit in der Formulie-
rung und Gedankenführung, die von einer ausdrucksstarken Mimik und Gestik
untermalt wurden, ließen mich aufhorchen. Ich konnte ja damals nicht wissen,
an wen ich da beinahe zufällig geraten war, nämlich an einen der begabtesten
Wissenschaftler und Wortmenschen der Bundesrepublik. Aber dass es sich bei
Graf Kielmansegg um eine glückliche Ausnahmeerscheinung handeln könnte,
handeln müsste, ahnte ich bereits nach der ersten Sitzung, am Ende des Se-
minars war ich dann dessen gewiss. Ich spürte damals wohl zum ersten Mal,
dass auch Gelehrte Charisma haben können, sogar dann, wenn sie selbst über
Charisma schreiben, wie wir spätestens seit Max Weber wissen. Jedenfalls bin
ich auch später im Studium niemandem mehr begegnet, der mich als Gelehrter
ähnlich stark beeindruckt hätte wie Graf Kielmansegg, und dies obwohl wir in
Mannheim und Heidelberg eine Reihe von weithin anerkannten und namhaf-
ten Politikwissenschaftlern hatten. Ich hoffe, dass ich mit dieser Feststellung,
die einem Bekenntnis gleichkommt, niemandem zu nahe trete, einschließlich
Graf Kielmansegg; denn ich weiß, dass er selbst kein großes Aufheben um seine
Person macht und wohl auch nicht gerne sieht und hört, wenn andere es tun. Er
möge mir deshalb nachsehen, dass ich heute ausnahmsweise vor dieser erlauch-
ten Gesellschaft über seine Person sprechen muss.
Nun was hat mich als Studenten an Graf Kielmansegg so fasziniert? Wenn ich
es in einem Satz sagen müsste, so könnte dieser lauten: Neben seiner brillanten
Rhetorik waren es die Weite und die Reife seines Horizontes, die ihn in meinen
Augen auszeichnete. Nicht zuletzt das ungewöhnlich breit gefächerte Themen-
spektrum seiner Lehrveranstaltungen bezeugte dies. Graf Kielmansegg hielt Vor-
lesungen über das politische System Deutschlands und der USA, gab Seminare zu
verschiedenen Aspekten der Demokratietheorie (wie etwa Föderalismus, Gewal-
tenteilung und Verfassungsgerichtsbarkeit), zudem galt er als vorzüglicher Ken-
ner der Zeitgeschichte Deutschlands und schließlich war er an der Universität
Mannheim der Einzige, der politische Theorie und Ideengeschichte auf hohem
Reflexionsniveau lehrte. So unterschiedlich die Themen auch sein mochten: Graf
Kielmansegg gelang es immer wieder, die einzelnen Fäden durch seinen histo-
risch fundierten, analytisch-systematischen Zugriff souverän zusammenzufüh-
ren. Seit seiner Habilitationsschrift über die Volkssouveränität stand die Frage
nach der Legitimität des demokratischen Verfassungsstaates im Mittelpunkt seiner
Aufmerksamkeit. Dabei war die politische Theorie und Ideengeschichte für Graf

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