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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2017 — 2018

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A. Das akademische Jahr 2017
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III. Veranstaltungen
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Verleihung des Karl-Jaspers-Preises 2017 an das Ehepaar Jan und Aleida Assmann
DOI Artikel:
Assmann, Jan: Das Kulturelle Gedächtnis zwischen Vergangenheit und Zukunft
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https://doi.org/10.11588/diglit.55651#0118
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III. Veranstaltungen

die Gewinnung einer universalistischen Perspektive durch einen distanzierten
Standpunkt, von dem aus erst das Ganze auf reflektierte Weise in den Blick zu
fassen ist. Wenn wir die Sonde auf Ägypten anwenden, leuchtet dieses Lämpchen
bei Weiteinstellung hell auf Der zentrale ägyptische Doppelmythos vom Lauf
der Sonne um die Erde und von Tod und Auferstehung des Osiris lassen sich gar
nicht treffender charakterisieren als der mythische Ausdruck des Bewusstseins
des ägyptischen Menschen „vom Sein im Ganzen, seiner selbst und seiner Gren-
zen“. Beide Mythen kreisen um das Geheimnis von Tod und Regeneration. Sie
betonen den Tod und verheißen Unsterblichkeit durch Integration von Mensch
und Gesellschaft in die kosmische und mythische Kreisläufigkeit, an der er durch
die Riten und moralische Lebensführung Anteil gewinnen kann. In diesen My-
then geht es um die Fundamentalien der menschlichen Existenz. Bei schärferer
Einstellung im Sinne einer philosophischen Durchdringung und theoretischen
Abstraktion dieser Konzeptionen aber erlischt die Lampe, so wie sie auch im Fall
der biblischen Propheten erlöschen würde.
(2) In diese Richtung geht auch das zweite Kriterium, Reflexivität oder
Denken zweiter Ordnung; Jaspers: „Bewusstheit machte noch einmal das Be-
wusstsein bewusst, das Denken richtete sich auf das Denken“. In Griechenland
fängt das Lämpchen erst mit Parmenides an aufzuleuchten; bei Homer und He-
siod bleibt es aber noch ebenso dunkel wie in Ägypten und Israel. Ich würde
vermuten, dass Entsprechendes auch für Zarathustra gilt. In Indien beginnen die
Grenzen zwischen Mythos und Logos zu verschwimmen. Vielleicht lässt sich die
Sorge des Konfuzius um die Bedeutungen der Worte als Denken zweiter Ord-
nung verstehen.
(3) Mit Reflexivität hängt für Jaspers auch „Kritik“ zusammen: „Die bis da-
hin unbewusst geltenden Anschauungen, Sitten und Zustände“, schreibt er, wur-
den „der Prüfung unterzogen, in Frage gestellt, aufgelöst“ (21). Der Althistoriker
Arnaldo Momigliano nannte die Achsenzeit daher „The Age of Criticism“.1 Das
Kriterium der Kritik lässt sich zu Antagonismus steigern. Das Alte und Gegebene
wird dann nicht nur der Kritik unterworfen, sondern verworfen, verabscheut und
verfolgt.
Auch das Lämpchen Kritik bleibt in Ägypten weitgehend dunkel. Zwar gibt
es Texte, die den gegenwärtigen Zustand des Landes bitter beklagen und kriti-
sieren, aber was sie befürworten ist nicht etwa der Durchbruch zu einer neuen,
besseren Ordnung sondern die Rückkehr zu einer idealisierten Vergangenheit.
Mesopotamien reagiert hier positiver, weil es hier die Gattung der herrscherkriti-
schen Fürstenspiegel gibt. In Ägypten wäre das ziemlich undenkbar. Der Erzfrev-
ler Echnaton wird totgeschwiegen, aber nicht explizit kritisiert. Dafür leuchten die

1 A. Momigliano, Alien Wisdom: The Limits of Hellenization, Cambridge UK 1975, p. 8. See
R. Bellah, „What is axial“, 72 £ and the paper by Hans Joas.

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