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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2017 — 2018

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A. Das akademische Jahr 2017
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III. Veranstaltungen
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Verleihung des Karl-Jaspers-Preises 2017 an das Ehepaar Jan und Aleida Assmann
DOI Artikel:
Assmann, Jan: Das Kulturelle Gedächtnis zwischen Vergangenheit und Zukunft
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https://doi.org/10.11588/diglit.55651#0119
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Verleihung des Karl-Jaspers-Preises 2017 an Jan und Aleida Assmann

Lampen natürlich hell auf bei den biblischen Propheten und im deuteronomis-
tischen Geschichtswerk, wo kaum ein König gute Zensuren erhält. Auch für die
Steigerungsform der Kritik als Antagonismus ist die Bibel der locus classicus mit
ihrer Verwerfung des kanaanäischen Heidentums. Gibt es dafür Parallelen in Grie-
chenland und China? In Indien vielleicht im Buddhismus; und im zoroastrischen
Persien prägt sich der Dualismus von Gut und Böse, Ahura Mazda und Ahriman,
auch in den Gathas aus.
(4) Ein viertes Kriterium, das Jaspers in diesen Zusammenhang stellt, nennt
er Vergeistigung und beschreibt es als „die Unruhe der Gegensätze und Anti-
nomien. Der Mensch wird sich problematisch.“ Jaspers nennt als Beispiele die
Opposition von Mythos und Logos sowie Polytheismus und Monotheismus. Sig-
mund Freud sprach in Bezug auf den Monotheismus von einem „Fortschritt in
der Geistigkeit“. Entscheidend ist die Bewegung eines Transzendierens des Ge-
gebenen, und zwar in zwei Richtungen: nach außen die Außerweltlichkeit Gottes
und nach innen die Erfindung des inneren Menschen. „Es geschah in der Ach-
senzeit“, schreibt Jaspers, „das Offenbaiwerden dessen, was später Vernunft und
Persönlichkeit hieß.“ (22) Der Sinologe Benjamin Schwartz nannte die Achsenzeit
daher geradezu „The Age of Transcendence“ und der Soziologe Schmuel Eisen-
stadt machte das Aufkommen von „transcendental visions“ zum entscheidenden
Kriterium. Das entsprechende Lämpchen läuft allerdings wieder Gefahr, überall
aufzuleuchten. Hier ist weitere Differenzierung nötig.
Was die Außerweltlichkeit Gottes angeht, bleibt das Lämpchen bei Ägyp-
ten dunkel. Die ägyptischen Götter sind allenfalls übeiweltlich, aber nicht außer-
weltlich. Dagegen leuchtet es hier hell auf, wo es um den inneren Menschen, die
Persönlichkeit und Individualität geht. Darüber wäre viel zu sagen, aber ich nenne
hier nur die große Idee des Totengerichts, dem sich nach ägyptischem Glauben
jeder Mensch nach dem Tode zu stellen hat. Dabei wird sein Herz als Inbegriff
seiner Individualität auf einer Waage abgewogen gegen das Symbol der Ma’at
(=Wahrheit/Gerechtigkeit). Wer diesen Test besteht, ist vom Tode erlöst und er-
hält ein Grundstück zur Bebauung im ägyptischen Paradies und in der Gemein-
schaft der Götter. Mit dem Aufkommen dieser Idee gelangen wir an den Anfang
des 2. Jts. v. Chr. Auch die im Neuen Reich (ab 1500) aufkommende Tradition
der Persönlichen Frömmigkeit hat sehr viel mit dem Herzen als dem Symbol des
inneren Menschen zu tun.
(5) Ein fünftes Kriterium könnte man Modernität nennen. Für Jaspers er-
eignete sich mit der Achsenzeit nicht nur eine entscheidende Wende, sondern es
entstand zu dieser Zeit „der Mensch, mit dem wir bis heute leben“ (19), d. h. un-
sere eigene geistige Welt. „In diesem Zeitalter (schreibt er) wurden die Grund-
kategorien hervorgebracht, in denen wir bis heute denken, und es wurden die
Ansätze der Weltreligionen geschaffen, aus denen die Menschen bis heute leben.“
(20 f.) Ein Kriterium, das sich aus dem fünften ergibt und dessen Voraussetzung

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