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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2017 — 2018

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A. Das akademische Jahr 2017
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III. Veranstaltungen
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Verleihung des Karl-Jaspers-Preises 2017 an das Ehepaar Jan und Aleida Assmann
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Assmann, Aleida: Über Erinnerung und Wahrheit, Medien und Öffentlichkeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.55651#0124
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III. Veranstaltungen

und Freiheit: „Nur durch bewusste Umkehr der politischen Denkungsart können
wir unsere Freiheit gewinnen.“
Eng damit zusammen hängt Jaspers’ Begriff der Wahrheit. Wahrheit und
Wahrhaftigkeit sind Zentralbegriffe von Jaspers, die in unserem sogenannten
postfaktischen Zeitalter eine neue Dringlichkeit bekommen. Im verzerrten Ver-
hältnis zur Wahrheit sieht Jaspers den wichtigsten Grund für den Unfrieden in
der Welt:
„Daher ist die Unwahrheit das eigentlich Böse, jeden Frieden Vernichtende:
die Unwahrheit von der Verschleierung bis zur blinden Lässigkeit, von der Lüge
bis zur inneren Verlogenheit, von der Gedankenlosigkeit bis zum doktrinären
Wahrheitsfanatismus, von der Unwahrhaftigkeit des einzelnen bis zur Unwahr-
haftigkeit des öffentlichen Zustandes.“
Gefahr geht für ihn nicht nur von denen aus, die die Wahrheit verdrehen,
sondern auch von denen, die sie gepachtet haben. Die größte aller Unwahrheiten
ist für ihn die, sich selbst im Vollbesitz und womöglich auch noch Exklusivbesitz
der Wahrheit zu wähnen: „Niemand weiß, was die Welt im Ganzen ist, wohin sie
geht. Die Reinheit dieses Nichtwissens ermöglicht erst, was wir Wahrheit nennen
oder Vernunft oder Gottesdienst.“ Diese Einsicht hat er in einem weiteren Kern-
satz zusammengefasst: „Mit der Wirklichkeit unserer Wahrheit sind wir immer nur
auf dem Wege. Niemand hat sie, wir alle suchen sie.“
An dieser Stelle muss ich einen kleinen ägyptisch-anglistischen Exkurs zu
einfügen und verbinde ihn mit dem Dank an meinen verehrten Lehrer Horst
Meller, der mich in das Werk John Miltons einführte. Seine Studenten verstan-
den sich nicht nur Kommilitonen, sondern auch Ko-Miltonen. Milton hat Jaspers
Wahrheitsbegriff um 300 Jahre in einer eindrucksvollen Rede über Pressefreiheit
voiweggenommen, in der er vor dem politischen Instrument der Zensur gewarnt
hat. Um sein Argument zu stützen, erzählte er den Mythos von Isis und Osiris,
den er bei Plutarch gefunden hat, neu. Isis ist darin die treue Gattin, die die Glie-
der des zerfledderten und zerstreuten Leichnams ihres Gatten in allen Provinzen
Ägyptens zusammensucht. Die deutschen Aufklärer haben später die Figur der
Isis mit der Wahrheit identifiziert. Milton machte Isis nicht zur Verkörperung
einer geheimnisvoll verschleierten Wahrheit, sondern zum Vorbild der Suche nach
der Wahrheit, einer Aufgabe, die hier auf Erden an kein Ende kommen kann: „Wir
haben noch nicht alle (Teile der Wahrheit) wiedergefunden, und wir werden sie
auch nicht alle finden“ bis zum Ende dieser Welt.3

3 Milton, Areopagitica, in Milton’s Prose, hg. von Walcom Wallace, London: Oxford UP 1963,
311.

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