Metadaten

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2018 — 2019

DOI Kapitel:
A. Das akademische Jahr 2018
DOI Kapitel:
II. Wissenschaftliche Vorträge
DOI Artikel:
Männlein-Robert, Irmgard: Die Tübinger Theosophie: vom Zufall der Überlieferung oder spätantike Orakel im Kontext
DOI Artikel:
Marx, Andreas: Verkleidete Biopolymere: Dress-Code von Proteinen und Nukleinsäuren
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.55650#0052
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
II. Wissenschaftliche Vorträge

nander. Der prominenteste Orakel-Gott, dessen Orakel in der größten Dichte an-
geführt werden, ist mit Sicherheit Apollon, aber auch Orakel von Sarapis, Hermes,
Artemis oder Sibylle sind integriert. Auf den jeweils wörtlich zitierten Orakeltext
folgen mitunter erläuternde Paraphrasen, die nicht immer eindeutig dem Verfasser
oder dem Exzerptor zugeschrieben werden können. Die strikt christliche Perspek-
tive dieser meist kurzen und vereinfachenden Erläuterungen sowie deren definitiv
christliche Resemantisierung der sprachlich schwierigen, vielfach platonisierenden
Orakelsprüche ist freilich unverkennbar. Nicht zuletzt anhand dieser tendenziösen
Rahmung lässt sich feststellen, dass es sich hier um eine selektive und programma-
tische Sammlung ganz bestimmter, nämlich theologischer Orakel aus Kaiserzeit und
Spätantike (z. T. epigraphisch nachweisbarer, z. T. literarischer Provenienz) handelt.
Die planvolle Auswahl der theosophischen Orakel, Anekdoten und Sentenzen, wie
sie im Theosophw-Exzerpt zu finden sind, setzt ohne Zweifel eine umfassende gute
Bibliothek oder entsprechende Bibliotheksrecherchen des Verfassers voraus. Wich-
tige Charakteristika dieses denkwürdigen Textes lassen sich anhand einer m.E. me-
tatextuell lesbaren narrativen Passage der Tübinger Theosophie (§ 76) identifizieren,
die von der Sibylle von Cumae und der Sammlung sowie der Genese der sog. Si-
byllinischen Orakel handelt. Dort wird etwa das Sammeln von Orakeln episodisch il-
lustriert, die geographisch resp. räumlich verstreut sind, als auch unterschiedlichen
Kontexten entstammen sowie nur in bereits selektierter Form zusammengetragen
werden können. In jedem Fall ist mit der Tübinger Theosophie ein bemerkenswerter
Text aus der Spätantike auf uns gekommen, der noch in exzerpierter Form trotz
oder gerade wegen seines Stimmenreichtums und seiner eigenwilligen Program-
matik weitere Studien lohnend machen dürfte, welche über die im Dezember 2018
publizierte, in Tübingen erstellte erste deutsche Übersetzung und Kommentierung
(hg. von L. Carrara und I. Männlein-Robert) hinausgehen.
Andreas Marx
„Verkleidete Biopolymere: Dress-Code von Proteinen und
Nukleinsäuren"
Sitzung der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse am 20. Juli 2018
Der technische Fortschritt in der Biotechnologie hat dazu geführt, dass uns nun
die Sequenzinformation der Genome von zahlreichen Organismen zur Verfügung
steht. Dabei kam zum Vorschein, dass der Mensch nur unwesentlich mehr Gene
hat als zum Beispiel die Fruchtfliege und gar weniger als der Blumenkohl. Offen-
sichtlich ist daher, dass die reine Anzahl der Gene nicht hinreichend ist, um die
Komplexität der menschlichen Entwicklung und der Signalgebungen zur Aufrecht-
erhaltung der Homöostase zu begründen. In der Tat sind schon seit einiger Zeit eine

52
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften