III. Veranstaltungen
nur selten einem Wolf entgegenstellten, waren die Hirten bei einem Wolfsangriff
zumeist ganz auf sich gestellt. Die Beschreibungen der Angriffe ähneln sich: Griff
ein Rudel an, verwickelten einige der Wölfe die Hirten in einen lebensgefährli-
chen Kampf, während sich andere über die Herde hermachten. Zahlreiche Rechte
erlegten den Hirten daher strenge Pflichten auf. So ließ das Meißener Rechtsbuch
(1357/87) den Hirten für alle Schäden an seiner Herde haften, sofern er nach ei-
nem Wolfsangriff „unversert“ war - und also seine Tiere nicht nach Leibeskräf-
ten verteidigt hat. Besser erging es den Kuhhirten im rheinischen Geisenheim:
Nach einer dortigen Ordnung des 16. Jahrhunderts sollten die Hirten eine verlo-
rene Kuh nur dann bezahlen müssen, wenn sie nicht glaubhaft machen konnten,
,,das[s] die wolff ... dasselbige vehe ... ryssen hettenn“. Dem entsprechend ließ
man es im Spessart für die Haftungsbefreiung eines Schäfers genügen, wenn er
beweisen konnte, dass ein Tier von Wölfen gerissen wurde, wofür er lediglich ein
Stück Fell des gerissenen Schafes vorlegen musste. An der Häufigkeit und Vielge-
staltigkeit derartiger Bestimmungen lässt sich deren praktische Relevanz über die
Jahrhunderte hinweg deutlich ablesen.
2. Wolfsjagd
Die ersten die Wölfe betreffenden Gesetze stammen aus der Zeit Kaiser Karls des
Großen: So wurde im Aachener Kapitular von 813 bestimmt, dass jeder Unter-
bezirk des karolingischen Reichs über zwei „luparii“ (Wolfsjäger) verfügen sollte.
Später waren Wölfe und Bären zumindest in den königlichen Wäldern zur allge-
meinen Jagd freigegeben, was - in Anbetracht der Gefährlichkeit einer solchen
Jagd - nicht hinreichte, um die Zahl der Wölfe unter Kontrolle zu halten. In den
Territorien setzte es sich daher durch, zur Verfolgung der Wölfe oft mehrtägige
Treibjagden zu veranstalten, an denen die männliche Landbevölkerung als Fron-
dienst teilzunehmen hatte. Wer nicht erschien, dem drohten ernsthafte Strafen.
Typischerweise fanden die Wolfsjagden im Winter statt, wenn es frisch gefallener
Schnee ermöglichte, der Wolfsfährte zu folgen. Häufig wurden die Jagdpflichti-
gen bei geeignetem Wetter durch Läuten der Kirchenglocken zusammengerufen.
Während die Frauen in der Kirche beteten, mussten sich oft 300 oder 500, biswei-
len sogar über 1.000 Mann an der gefährlichen Treibjagd beteiligen. Der Kurfürst
von der Pfalz hielt als Verantwortlichen für die Wolfsjagden einen sogenannten
„Wolfskreiser“, der bereits 1488 als „knecht zum Wölffshuß“ erwähnt wird. Er hatte
seinen Sitz am heutigen Wolfsbrunnen in Schlierbach.
Die Kurpfalz war indes längst untergegangen, als die letzte große Wolfsjagd
der Region stattfand: Im Winter 1865/66 waren durch Wölfe im Odenwald mehr
als hundert Tiere gerissen worden. Man hatte bald einen alten Wolf bei Heilbronn
erschossen, einen jungen bei Eberbach und einen dritten bei Krautheim, ohne dass
die Wolfsangriffe endeten. Vielmehr wurde ein schlachtender Bauer in Gaiberg von
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nur selten einem Wolf entgegenstellten, waren die Hirten bei einem Wolfsangriff
zumeist ganz auf sich gestellt. Die Beschreibungen der Angriffe ähneln sich: Griff
ein Rudel an, verwickelten einige der Wölfe die Hirten in einen lebensgefährli-
chen Kampf, während sich andere über die Herde hermachten. Zahlreiche Rechte
erlegten den Hirten daher strenge Pflichten auf. So ließ das Meißener Rechtsbuch
(1357/87) den Hirten für alle Schäden an seiner Herde haften, sofern er nach ei-
nem Wolfsangriff „unversert“ war - und also seine Tiere nicht nach Leibeskräf-
ten verteidigt hat. Besser erging es den Kuhhirten im rheinischen Geisenheim:
Nach einer dortigen Ordnung des 16. Jahrhunderts sollten die Hirten eine verlo-
rene Kuh nur dann bezahlen müssen, wenn sie nicht glaubhaft machen konnten,
,,das[s] die wolff ... dasselbige vehe ... ryssen hettenn“. Dem entsprechend ließ
man es im Spessart für die Haftungsbefreiung eines Schäfers genügen, wenn er
beweisen konnte, dass ein Tier von Wölfen gerissen wurde, wofür er lediglich ein
Stück Fell des gerissenen Schafes vorlegen musste. An der Häufigkeit und Vielge-
staltigkeit derartiger Bestimmungen lässt sich deren praktische Relevanz über die
Jahrhunderte hinweg deutlich ablesen.
2. Wolfsjagd
Die ersten die Wölfe betreffenden Gesetze stammen aus der Zeit Kaiser Karls des
Großen: So wurde im Aachener Kapitular von 813 bestimmt, dass jeder Unter-
bezirk des karolingischen Reichs über zwei „luparii“ (Wolfsjäger) verfügen sollte.
Später waren Wölfe und Bären zumindest in den königlichen Wäldern zur allge-
meinen Jagd freigegeben, was - in Anbetracht der Gefährlichkeit einer solchen
Jagd - nicht hinreichte, um die Zahl der Wölfe unter Kontrolle zu halten. In den
Territorien setzte es sich daher durch, zur Verfolgung der Wölfe oft mehrtägige
Treibjagden zu veranstalten, an denen die männliche Landbevölkerung als Fron-
dienst teilzunehmen hatte. Wer nicht erschien, dem drohten ernsthafte Strafen.
Typischerweise fanden die Wolfsjagden im Winter statt, wenn es frisch gefallener
Schnee ermöglichte, der Wolfsfährte zu folgen. Häufig wurden die Jagdpflichti-
gen bei geeignetem Wetter durch Läuten der Kirchenglocken zusammengerufen.
Während die Frauen in der Kirche beteten, mussten sich oft 300 oder 500, biswei-
len sogar über 1.000 Mann an der gefährlichen Treibjagd beteiligen. Der Kurfürst
von der Pfalz hielt als Verantwortlichen für die Wolfsjagden einen sogenannten
„Wolfskreiser“, der bereits 1488 als „knecht zum Wölffshuß“ erwähnt wird. Er hatte
seinen Sitz am heutigen Wolfsbrunnen in Schlierbach.
Die Kurpfalz war indes längst untergegangen, als die letzte große Wolfsjagd
der Region stattfand: Im Winter 1865/66 waren durch Wölfe im Odenwald mehr
als hundert Tiere gerissen worden. Man hatte bald einen alten Wolf bei Heilbronn
erschossen, einen jungen bei Eberbach und einen dritten bei Krautheim, ohne dass
die Wolfsangriffe endeten. Vielmehr wurde ein schlachtender Bauer in Gaiberg von
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