III. Veranstaltungen
4. Tollwut
Für Menschen besonders gefährlich waren hungrige, in Kriegszeiten verrohte
Wölfe, die sich aufgrund herumliegender Leichen an den Geschmack von Men-
schenfleisch gewöhnt hatten. Eine wohl noch größere Bedrohung stellten Wölfe
dar, die an Tollwut erkrankt waren. Deren unbeschreibliche Brutalität und Aggres-
sivität wird in zahlreichen Quellen geschildert. Ein gut dokumentierter Angriff
durch einen tollwütigen Wölf ereignete sich 1815 in Bad Neuenahr-Ahrweiler:
Der Wölf überfiel und verletzte binnen weniger Stunden zwölf Menschen und
mehrere Tiere. Einer einzelnen Frau fügte er 93 Wunden bei, wie der Amtsarzt
später feststellte. Erst als der Wolf durch mehrere ihm beigebrachte Verletzungen
erheblich geschwächt war, gelang es bewaffneten Männern ihn zu überwältigen.
Alle vom Wolf Gebissenen waren damals dem Tode geweiht: Entweder sie starben
unmittelbar an ihren Verletzungen oder an der damals noch unheilbaren Tollwut.
Denn bevor Louis Pasteur 1885 - unter dem Eindruck derartiger Wolfsangriffe -
die Tollwutimpfung entwickelt hatte, drohte jedem von einem tollwütigen Tier
Gebissenen ein entsetzlicher Todeskampf. Zum Schluss entwickeln die Erkrank-
ten eine panische Angst vor Wasser. Sie können nicht einmal mehr ihren eigenen
Speichel schlucken, sodass sich Schaum vor ihrem Mund bildet. Hinzu kommt
oft unkontrolliertes Schreien, Schlagen und Beißen. Den Menschen vergangener
Jahrhunderte musste dies wie eine Wolfsverwandlung erscheinen. In der Wolfs-
tollwut wird daher eine der Wurzeln des Werwolf-Aberglaubens vermutet.
5. Werwölfe
Bereits die antike Mythologie thematisierte Verwandlungen von Menschen in Wöl-
fe. Die Vorstellung blieb im Mittelalter lebendig, obgleich die Kirche den Glauben
an derlei Tierverwandlungen als Häresie verurteilte - etwa im „Poenitentiale Ec-
clesiarum Germaniae“ (um 1000), worin erstmals das deutsche Wort „werewulff“
belegt ist. Als Verbrecher verfolgt wurden vermeintliche Werwölfe vornehmlich in
der Frühneuzeit. Man glaubte, Menschen würden aufgrund eines Paktes mit dem
Bösen (vorübergehend) die Gestalt eines Wolfes annehmen, um so Gräueltaten zu
begehen, was man als besondere Form des Schadenzaubers ansah. Sehr oft dürften
reale Wolfsangriffe zu einer Verfolgung angeblicher Werwölfe geführt haben. Die
Menschen suchten schlicht nach einem Schuldigen. Nach den Untersuchungen
des Werwolf-Forschers Elmar Lorey waren es zumeist Männer, die als Werwölfe
angeklagt wurden. Gleich das mutmaßlich erste überlieferte Strafverfahren wegen
einer Wolfsverwandlung im deutschsprachigen Raum richtete sich allerdings ge-
gen eine Frau: 1459 wurde Kattryna Simmen aus Steinbergen (Schweiz) auf dem
Scheiterhaufen verbrannt, nachdem sie gestanden hatte, ,,das[s] sy sich [ge] machet
zu einem wolf“, um Vieh zu jagen und Kühe zu töten. Vor allem seit dem späten
16. Jahrhundert gehörte der Werwolfs-Vorwurf in manchen Regionen Deutsch-
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4. Tollwut
Für Menschen besonders gefährlich waren hungrige, in Kriegszeiten verrohte
Wölfe, die sich aufgrund herumliegender Leichen an den Geschmack von Men-
schenfleisch gewöhnt hatten. Eine wohl noch größere Bedrohung stellten Wölfe
dar, die an Tollwut erkrankt waren. Deren unbeschreibliche Brutalität und Aggres-
sivität wird in zahlreichen Quellen geschildert. Ein gut dokumentierter Angriff
durch einen tollwütigen Wölf ereignete sich 1815 in Bad Neuenahr-Ahrweiler:
Der Wölf überfiel und verletzte binnen weniger Stunden zwölf Menschen und
mehrere Tiere. Einer einzelnen Frau fügte er 93 Wunden bei, wie der Amtsarzt
später feststellte. Erst als der Wolf durch mehrere ihm beigebrachte Verletzungen
erheblich geschwächt war, gelang es bewaffneten Männern ihn zu überwältigen.
Alle vom Wolf Gebissenen waren damals dem Tode geweiht: Entweder sie starben
unmittelbar an ihren Verletzungen oder an der damals noch unheilbaren Tollwut.
Denn bevor Louis Pasteur 1885 - unter dem Eindruck derartiger Wolfsangriffe -
die Tollwutimpfung entwickelt hatte, drohte jedem von einem tollwütigen Tier
Gebissenen ein entsetzlicher Todeskampf. Zum Schluss entwickeln die Erkrank-
ten eine panische Angst vor Wasser. Sie können nicht einmal mehr ihren eigenen
Speichel schlucken, sodass sich Schaum vor ihrem Mund bildet. Hinzu kommt
oft unkontrolliertes Schreien, Schlagen und Beißen. Den Menschen vergangener
Jahrhunderte musste dies wie eine Wolfsverwandlung erscheinen. In der Wolfs-
tollwut wird daher eine der Wurzeln des Werwolf-Aberglaubens vermutet.
5. Werwölfe
Bereits die antike Mythologie thematisierte Verwandlungen von Menschen in Wöl-
fe. Die Vorstellung blieb im Mittelalter lebendig, obgleich die Kirche den Glauben
an derlei Tierverwandlungen als Häresie verurteilte - etwa im „Poenitentiale Ec-
clesiarum Germaniae“ (um 1000), worin erstmals das deutsche Wort „werewulff“
belegt ist. Als Verbrecher verfolgt wurden vermeintliche Werwölfe vornehmlich in
der Frühneuzeit. Man glaubte, Menschen würden aufgrund eines Paktes mit dem
Bösen (vorübergehend) die Gestalt eines Wolfes annehmen, um so Gräueltaten zu
begehen, was man als besondere Form des Schadenzaubers ansah. Sehr oft dürften
reale Wolfsangriffe zu einer Verfolgung angeblicher Werwölfe geführt haben. Die
Menschen suchten schlicht nach einem Schuldigen. Nach den Untersuchungen
des Werwolf-Forschers Elmar Lorey waren es zumeist Männer, die als Werwölfe
angeklagt wurden. Gleich das mutmaßlich erste überlieferte Strafverfahren wegen
einer Wolfsverwandlung im deutschsprachigen Raum richtete sich allerdings ge-
gen eine Frau: 1459 wurde Kattryna Simmen aus Steinbergen (Schweiz) auf dem
Scheiterhaufen verbrannt, nachdem sie gestanden hatte, ,,das[s] sy sich [ge] machet
zu einem wolf“, um Vieh zu jagen und Kühe zu töten. Vor allem seit dem späten
16. Jahrhundert gehörte der Werwolfs-Vorwurf in manchen Regionen Deutsch-
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