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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2019 — 2020

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B. Die Mitglieder
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I. Antrittsreden
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Jörg Schmalian
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https://doi.org/10.11588/diglit.55176#0172
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B. Die Mitglieder

fürchtung - erforderte zu viel Auswendiglernen. Damit wurde ein mathematisch
orientiertes Studium die natürliche Wahl. Die Tatsache, dass man Probleme durch
pures Nachdenken lösen und dann eine nicht verhandelbare Wahrheit finden
kann, hat mich fasziniert. Auf Anraten meines wunderbaren und leider zu früh
verstorbenen Lehrers Klaus Neve habe ich dann Physik in Merseburg und Leipzig
studiert.
Die Entscheidung, Festkörpertheorie - oder etwas allgemeiner - Theorie der
kondensierten Materie zu betreiben, fiel im Lesesaal der Deutschen Bibliothek
in Leipzig. Den entscheidenden Einfluss hatte dabei ein Buch, das bis heute in
der Community blasphemisch als „die Bibel“ bezeichnet wird: Metlwds of Quan-
tum Field Theory in Statistical Physics von Alexei Abrikosov, Lev Gor’kov und Igor
Dzyaloshinskii. Ich hatte das große Glück, dieses Meisterwerk, damals noch im
russischen Original, aus dem Regal zu nehmen. Viel später habe ich meine Dis-
kussionen mit Alexei Alexeyevich Abrikosov und insbesondere mit Lev Petrovich
Gor’kov enorm genossen.
Zeitgleich mit Erhalt meines Diploms der Physik fiel die Berliner Mauer.
Meine Generation hatte das historische Glück, in der DDR eine ausgezeichnete
Ausbildung erhalten zu haben, ohne dass wir den Mief und den unehrlichen Alltag
dieser ostdeutschen Gesellschaft für den Rest unseres Lebens ertragen oder gar
verantworten mussten. Berlin war die Stadt, auf die die Welt damals schaute. Ich
musste auch dorthin.
Im Sommer 1993 habe ich dann an der Freien Universität Berlin auf dem Ge-
biet der stark-korrelierten Elektronensysteme promoviert. Meinem Doktorvater
Karl Bennemann bin ich auf ewig dankbar, dass er mich von einem mathematisch
talentierten, aber in der eigentlichen Physik recht ahnungslosen Lehrjungen zu
einem Wissenschaftler geformt hat, der in physikalischen Bildern denken kann.
Mindestens genauso dankbar bin ich ihm dafür, dass er dem jungen Mann, der
im März 1990 ohne Anmeldung an seine Tür klopfte, nach kurzer und intensiver
Diskussion eine Chance gegeben hat.
Nach der Berliner Zeit war der Weg dann recht geradlinig. Ich bin mit einem
Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft an die University of Illinois
in Urbana-Champaign gegangen, um mit David Pines auf dem Gebiet der Sup-
raleitung zu arbeiten. Nach kurzem Aufenthalt in Oxford erhielt ich 1999 eine
Professur an der Iowa State University und bin seit 2011 Professor in Karlsruhe.
Wissenschaftlich bin ich klar von der russischen Schule der theoretischen
Physik geprägt, in der man neben einer quantitativen Beschreibung physikalischer
Beobachtungen immer auch hohe mathematische Ansprüche an die Verlässlich-
keit der Theorie stellt. Die russische Schule möchte also Theorien entwickeln, die
eben gerade unabhängig von der Zugehörigkeit zu einer Schule sind.
Die Forschung, die mich antreibt, ist die Quantenphysik von Vielteilchen-
systemen. Die Quantenmechanik wurde entwickelt, um die Eigenschaften von

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